0795 - Entführt in die Totenstadt
Augenwinkel an Nicoles Mimik, dass sie drauf und dran war, ihren aufgestauten Gefühlen Raum zu verschaffen. Er war froh darüber, dass sie sich beherrschte. Jetzt war der denkbar ungünstigste Zeitpunkt für eine Aussprache.
»Wer ist Yamaduta?«, wiederholte Nicole die bereits gestellte Frage.
»Er ist der Bote des Totengottes Yama«, erklärte Asha, die naturgemäß in der indischen Mythologie besser bewandert war als ihre beiden Begleiter. »Yama herrscht über eine Totenstadt, die in einer anderen Dimension liegt, und in die sein Bote, eben Yamaduta, die Seelen der Verstorbenen in einer vier Stunden und vierzig Minuten andauernden Reise führt. Die Stadt heißt…«
»Yamapura«, unterbrach Zamorra. »Ich weiß.«
Überrascht sah Asha auf. »Woher hast du die Kenntnis davon?«
»Ich bin Yama bereits begegnet«, offenbarte Zamorra, was Asha dazu brachte, vor Erstaunen den Mund offen stehen zu lassen. »Es ist lange her, doch danach habe ich mich selbstverständlich darüber informiert, was die Mythologie über ihn aussagt. Ich hatte es nur eben vergessen, als ich den Namen seines Boten hörte.«
Auch Nicoles Miene hatte sich bei Ashas Erläuterung verfinstert.
»Wenn Yama Vasu zu sich in die Totenstadt geholt hat, erklärt das die Worte des Wahrsagers.« Asha entspannte sich merklich, als sie diese Erkenntnis hatte. »Er sprach von der Grenze des Todes, die Vasu möglicherweise überschritten hat. Das trifft in gewisser Weise zu, wenn er sich in Yamapura befindet, denn das ist die Stadt der Toten, die von Leichen bevölkert wird.«
»Dann lebt Vasu noch«, nickte Zamorra. »Und wir wissen genau, wo wir ihn finden können. Worauf warten wir?«
»Nur wie kommen wir in die Totenstadt, Chef?«, fragte Nicole. »Kennst du Yama gut genug, um eine Beschwörung durchführen zu können, die uns zu ihm bringt?«
Sie richtete diese Frage an Zamorra, doch bevor dieser antworten konnte, meldete sich Asha zu Wort. »Ich weiß, wie wir dorthin kommen. Und schau nicht den Professor an. Ich werde uns nach-Yamapura bringen!«
***
Asha zeichnete irgendwelche Symbole auf den Boden neben der Verbrennungsanlage. »Dieser Ort ist ideal geeignet«, hatte sie gesagt, »von hier aus haben schon eine Menge Seelen die Reise nach-Yamapura angetreten. Das Gefüge der Dimensionen wird hier durch die häufige Durchquerung durchlässiger sein als anderswo.«
Zamorra und Nicole ließen sie gewähren. Sie sahen ihr bei den Vorbereitungen zu, kümmerten sich jedoch nicht weiter um sie. »Welche Vorteile können wir daraus gewinnen, dass du schon einmal gegen Yama gekämpft hast?«, fragte Nicole.
»Er ist damals mit einem Astralleib gegen mich angetreten. Das Amulett war nutzlos. Doch es ist mir gelungen, ihn unter einen Gehorsamkeitsbann zu zwingen.«
»Glaubst du, dass er dir heute noch gehorsam sein muss?«
»Schön wäre es, doch ich rechne nicht damit. Es ist viel Zeit vergangen, und er wird sich mittlerweile daraus befreit haben.«
Sie schwiegen einen Moment. Damals waren die Zeiten und die Abenteuer, die sie zu bestehen hatten, noch völlig anders gewesen. Manchmal kam es ihnen so vor, als wären sie damals wild von einer Auseinandersetzung in die andere gestolpert, ohne Plan, ohne ein konkretes Ziel vor Augen.
Heute war alles anders, wenn es auch keineswegs einfacher geworden war. Im Gegenteil. Sie schlugen sich tagtäglich mit Dingen herum, die sich nicht von heute auf morgen erledigen ließen. Sie hatten viel über die Hierarchie der Hölle erfahren, sie schlugen sich mit der DYNASTIE DER EWIGEN herum, mit Aliens und Wesen aus zahllosen Dimensionen und Welten, die weder gut noch böse waren und zum Teil selbst Kriege miteinander führten. Und nicht zuletzt mit Göttern und Dämonen aus der indischen Mythologie.
Alles in allem war es schlicht interessanter geworden als in den ersten Jahren ihres Kampfes…
»Ich bin soweit«, rief Asha in diesem Moment. »Kommt her zu mir, die Reise kann jetzt beginnen.«
Nicole folgte Zamorra, der ein wenig schneller als sie gewesen war und interessiert Ashas Vorbereitungen betrachtete. Er runzelte die Stirn, als er die Zeichen sah. Er kannte sich mit der spezifisch indischen Dämonologie nicht wirklich gut aus, doch das, was er sah, erschreckte ihn. »Du bedienst dich gefährlicher Mittel«, sagte er.
»Ich bediene mich der Mittel, die uns ans Ziel bringen werden.«
»Sei vorsichtig und begib dich nicht in die Abhängigkeit derer, die du bekämpfen willst.«
»Typisches
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