08 Geweihte des Todes - Adrian Lara
Porzellanschale, die auf halbem Weg zwischen Miras und ihrem Teller stand.
„Kann ich bitte Schlagsahne haben“, korrigierte Renata, die rechts neben dem kleinen Mädchen saß. Mit einem entschieden mütterlichen, liebevollen Zwinkern streckte die sonst so knallhart wirkende Brünette die Hand aus und fing die Schüssel ab, die Jenna ihr reichte.
„Dann eben bitte “, verbesserte Mira unbekümmert.
Jenna senkte die Gabel in den dekadenten Vanilletoast und führte einen Bissen zum Mund. Er war genau, wie Tess gesagt hatte – absolut himmlisch. Sie konnte sich ein lautes Aufstöhnen nicht verkneifen, als sie den cremigen Vanillegeschmack genoss.
„Schmeckt’s, ja?“, fragte Savannah, die an einem Ende des langen Esszimmertischs saß.
„Wahnsinn“, murmelte Jenna, ihre Geschmacksnerven jubilierten immer noch vor Glück. Sie warf einen Blick in die um den Tisch versammelte Runde. „Danke für eure Gastfreundschaft. Ich hab noch nie in meinem Leben so viel Essen gesehen.“
„Hast du etwa gedacht, wir lassen dich verhungern?“, fragte Gabrielle vom gegenüberliegenden Tischende, ihr Lächeln war freundlich und einladend.
„Ich weiß nicht genau, was ich gedacht habe“, antwortete Jenna wahrheitsgemäß. „Um ehrlich zu sein, ich weiß noch gar nicht, wie ich das alles hier verarbeiten soll.“
Gabrielle nickte langsam. Sie wirkte klug und irgendwie majestätisch gelassen, obwohl sie einige Jahre jünger sein musste als Jenna mit ihren dreiunddreißig. „Das ist verständlich. Du hast eine Menge durchgemacht, und deine Situation ist uns allen neu.“
„Meine Situation“, sagte Jenna und schob müßig ein Stück sirupgetränktes Brot auf ihrem Teller herum. „Du meinst das unidentifizierte Objekt in meiner Schädelbasis?“
„Ja, das“, gab Gabrielle zu, ihre Stimme war sanft. „Und die Tatsache, dass du das Glück hattest, dem Ältesten lebend zu entkommen. Dass er sich von dir genährt und dich am Leben gelassen hat, ist …“
„Absolut unerhört, noch nie da gewesen“, meldete sich die Frau mit der feuerroten Mähne und dem hübschen sommersprossigen Gesicht zu Wort, die neben ihr saß. „Wenn du wüsstest, wozu er fähig war – wenn du eine Ahnung hättest, was so vielen anderen passiert ist …“ Ihre Stimme verklang, und ein kleiner Schauder erfasste sie, der ihr die Hand mit der Gabel erzittern ließ. „Es ist wirklich ein Wunder, dass du noch am Leben bist, Jenna.“
„Dylan hat recht“, stimmte Tess zu. „Seit der Orden vor etwa einem Jahr entdeckt hat, dass der Älteste aus seinem Winterschlaf geweckt wurde, haben wir versucht, ihn und Dragos aufzuspüren – das ist der Scheißkerl, der dieses gefährliche Wesen wieder auf die Welt losgelassen hat.“
„Ich bin mir nicht sicher, welcher von den beiden der Schlimmere ist“, warf Renata ein.
„Der Älteste hat zwar eine Menge unschuldige Opfer getötet, aber es ist eigentlich Dragos, sein sadistischer Enkel, der hier die Strippen zieht.“
Jenna konnte ihren Ekel nicht verbergen. „Wollt ihr mir etwa sagen, dass diese Kreatur auch noch Nachkommen gezeugt hat?“
Gabrielle nahm einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse, dann setzte sie sie wieder vorsichtig auf der Untertasse ab. „Diese Kreatur und einige andere wie sie haben die ganze Vampirspezies auf der Erde gezeugt.“
„Auf der Erde?“, rief Jenna mit einem ungläubigen Lachen. „Redet ihr jetzt von Aliens? Der Vampir, der mich angegriffen hat …“
„War nicht von dieser Welt“, beendete Savannah den Satz für sie. „Es stimmt. Nicht schwerer zu glauben als an die Existenz von Vampiren, wenn du mich fragst, und es ist wirklich die reine Wahrheit. Nachdem die Ältesten vor ein paar Jahrtausenden auf unserer Erde Schiffbruch erlitten haben, haben sie ein Schreckensregime errichtet und jede Menge Frauen vergewaltigt. Nach und nach wurden einige ihrer Opfer schwanger, und so wurde die Erste Generation des Stammes geboren.“
„Und das glaubt ihr alle?“, fragte Jenna, immer noch ungläubig. Sie sah sich nach Alex um, die neben ihr saß. „Du auch?“
Sie nickte. „Wie könnte ich es nicht glauben, nachdem ich Kade und alle anderen hier im Hauptquartier kennengelernt habe? Und den Ältesten habe ich mit eigenen Augen gesehen, kurz bevor er auf einer Klippe vor Harmony getötet wurde.“
„Und was ist mit diesem anderen – mit Dragos?“, fragte Jenna, wider Willen doch neugierig, wie all die Elemente dieses erstaunlichen Puzzles zusammenpassten.
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