08 Geweihte des Todes - Adrian Lara
der getönten Fensterscheibe über ihrem Kopf flackerte eine gedämpfte gelbe Lampe.
Das gibt’s doch nicht!
Hoffnung flackerte in ihr auf, hell und stark. Sie hatten sie in die Tiefgarage auf der anderen Straßenseite gebracht.
Die Garage, wo immer noch Brock auf sie wartete.
Hatte er bemerkt, was mit ihr passiert war?
Aber sie verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Wenn Brock gesehen hätte, dass sie in Schwierigkeiten war, wäre er schon da. Das wusste sie mit einer Gewissheit, die sie erschütterte. Er würde nie zulassen, dass ihr etwas passierte. Somit konnte er nicht wissen, dass sie hier war, nur wenige Meter vom schwarzen Rover des Ordens entfernt gefangen gehalten wurde.
Vorerst, bis sie einen Weg fand, seine Aufmerksamkeit zu erregen, war sie auf sich allein gestellt.
Sie hob die Lider etwas weiter an und sah, dass ihre Entführer beide vorne im Wagen saßen – Cho am Steuer des Ford Crown Victoria, Green auf dem Beifahrersitz, den Lauf seiner Dienstwaffe, einer Glock 23, über die Lehne auf ihren Brustkorb gerichtet.
„Jawohl, Meister. Wir haben sie jetzt im Wagen“, sagte Cho in sein Headset. „Nein, keinerlei Komplikationen. Natürlich, Meister, mir ist klar, dass Sie sie lebend wollen. Ich werde Sie kontaktieren, sobald wir sie sicher in das Lagerhaus gebracht haben, um Ihre Ankunft heute Abend abzuwarten.“
Meister? Was zum Teufel war das denn?
Ein Angstschauer lief Jenna über den Rücken, als sie der roboterhaften Gehorsamkeit in Chos seltsamem Tonfall lauschte. Auch ohne dieses seltsam unterwürfige Gespräch wusste sie, dass sie so gut wie tot war, wenn sie diesen Männern erlaubte, sie an einen anderen Ort zu bringen. Doch wenn ihre Instinkte recht behielten, wer der Meister dieser beiden Männer war, dann erwartete sie womöglich Schlimmeres als der Tod.
Cho beendete das Gespräch und legte den Rückwärtsgang ein.
Das war ihre Chance – jetzt musste sie handeln.
Vorsichtig drehte sich Jenna auf dem Sitz und zog geräuschlos die Knie an die Brust. Sie machte es ganz langsam, bis sie ihre Füße zwischen den beiden Vordersitzen in Position gebracht hatte. Und sobald sie so weit war, zögerte sie nicht.
Sie trat mit beiden Füßen zu, ihr rechter traf Green mit voller Wucht seitlich am Kopf, mit dem linken erwischte sie ihn am Ellbogen seines Waffenarms. Green brüllte auf, sein Kinn zuckte hoch, als die Hand mit der Glock zur Wagendecke gerissen wurde. Ein Schuss löste sich und krachte laut durch den Wagen, die Kugel durchschlug Polsterung und Stahl über seinem Kopf.
Im Chaos des Überraschungsangriffs ließ Cho den Fuß schwer aufs Gaspedal fallen. Die Limousine streifte einen der massiven Betonpfeiler in der Reihe hinter ihnen, aber Cho hatte sich schnell gefangen. Er warf den Vorwärtsgang ein und trat wieder heftig aufs Gas. Mit quietschenden Reifen machte der Wagen einen Satz nach vorn und beschleunigte.
Wo zur Hölle steckte Brock?
Jenna packte den Türgriff am Rücksitz. Abgeschlossen. Sie trat gegen die Tür auf der anderen Seite, rammte den Stiefelabsatz durchs Fenster. Splitter von Sicherheitsglas regneten auf ihre Beine und den Ledersitz herunter. Kalte Luft strömte herein und brachte die Gerüche von Motoröl und Fritten von der Imbissbude um die Ecke mit.
Jenna kroch hektisch auf das klaffende Fenster zu, aber schon fuhr Green herum und drückte ihr seine Pistole gegen die Schläfe.
„Setzen Sie sich wieder hin, und benehmen Sie sich, Ms Darrow!“, sagte er liebenswürdig. „Sie gehen nirgendwohin, bis der Meister es will.“
Langsam wich Jenna vor der geladenen Glock zurück, ihren Blick auf die gespenstischen, gefühllosen Augen von Special Agent Green gerichtet.
Jetzt hatte sie überhaupt keine Zweifel mehr. Diese FBI -Agenten – diese Wesen, die zwar aussahen und sich verhielten wie Menschen, aber irgendwie doch keine waren – gehörten zu Dragos’ Organisation. Herr im Himmel, wie weit reichte seine Macht bloß?
Angesichts dieser Frage bildete sich ein eisiger Angstklumpen in ihrem Magen, als Cho das Gaspedal durchtrat und die Limousine aus der Tiefgarage schoss, in den dichten Nachmittagsverkehr hinaus.
Mit der übernatürlichen Geschwindigkeit des Stammes hatte Brock die sonnenhelle Straße innerhalb weniger Sekunden überquert und stand vor der Tür des hohen Regierungsgebäudes. Eben wollte er eintreten und ebenso schnell an der Security vorbei, als sein scharfes Gehör in einiger Entfernung den gedämpften Knall eines Schusses
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