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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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gesprochen.«
    »Ich muß mit Helen und Simon sprechen«, sagte er.
    Ihr Lächeln wurde unsicher. Sie kannte ihn gut genug. Sie konnte trotz seines Bemühens um ruhige Sachlichkeit an seinem Ton hören, daß etwas nicht stimmte.
    »In der Küche. Im Labor. Ich meine, Helen ist in der Küche und Simon im Labor. Dad und ich zeigen ihr gerade ... Tommy, ist was passiert?«
    »Würdest du Simon holen?«
    Während sie in den oberen Stock des Hauses hinauflief, ging er nach hinten, wo die Treppe zur Küche im Souterrain führte. Von unten konnte er Helens Lachen und Joseph Cotters Stimme hören.
    »Das Geheimnis ist das Eiweiß«, sagte Cotter gerade. »Dadurch werden sie außen schön braun und kriegen Glanz. Aber zuerst müssen Sie die Eier trennen. Sie schlagen sie auf - so, schauen Sie - und dann kippen Sie das Eigelb so lange von einer Schalenhälfte in die andere, bis das ganze Eiweiß abgelaufen ist.«
    »Und das ist wirklich alles?« fragte Helen erstaunt. »Mensch, das ist ja kinderleicht. Sogar ein Idiot würde das fertigbringen. Sogar ich.«
    »Ja, ganz einfach«, sagte er. »Versuchen Sie's mal.«
    Lynley stieg die Treppe hinunter. Cotter und Helen standen sich am Arbeitstisch in der Mitte der Küche gegenüber, Helen in einer riesigen weißen Schürze, Cotter mit aufgekrempelten Hemdsärmeln. Auf dem Tisch zwischen ihnen befand sich ein Sammelsurium von Rührschüsseln, Backblechen, Schachteln mit Rosinen, Mehltüten und anderen Zutaten. Helen war eben dabei, über einer der kleineren Schüsseln ein Ei zu trennen. Auf den Backblechen prangten die Früchte der gemeinsamen Arbeit: kleine, mit Rosinen gesprenkelte Teighäufchen vom Umfang einer Teetasse.
    Peach, der Dackel, entdeckte Lynley zuerst. Er leckte gerade mit Wonne den Mehlstaub vom Küchenboden rund um Helen, als er ihn witterte. Er hob den Kopf, sah ihn und bellte einmal laut.
    Helen sah auf, in jeder Hand die Hälfte einer Eierschale. Wie vorher Deborah lächelte sie strahlend. »Tommy, hallo!« rief sie. »Stell dir vor, ich habe das Unmögliche geschafft. Ich habe scones gebacken.«
    »Wir müssen miteinander reden.«
    »Ich kann jetzt aber nicht. Cotter muß mir erst noch zeigen, wie ich meinen Meisterwerken den letzten Schliff gebe, sobald ich das Ei hier getrennt habe. Was ich übrigens, finde ich, sehr gut mache, wie Cotter sicher bestätigen wird.«
    Doch Cotter hatte Lynleys Ton und Haltung offenbar genauer interpretiert. Er sagte: »Ich kann hier allein fertigmachen. Kein Problem. Gehen Sie ruhig mit Lord Asherton.«
    »Quatsch«, entgegnete sie.
    »Helen«, sagte Lynley.
    »Ich kann doch diese Prachtstücke nicht im entscheidenden Moment einfach im Stich lassen. Jetzt bin ich schon so weit gekommen, da möchte ich das Werk auch vollenden. Tommy wartet schon auf mich. Nicht wahr, Liebling?«
    Das Kosewort zerrte an seinen Nerven. Er sagte: »Charlotte Bowen ist tot.«
    Helen, die immer noch die Eierschalen über die Schüssel hielt, senkte die Hände. »O Gott«, sagte sie.
    Cotter, der die Stimmung zwischen ihnen spürte, hob den kleinen Dackel vom Boden auf, nahm die Leine von dem Haken neben der Hintertür und ging ohne ein Wort. Einen Augenblick später wurde das Gartentor zum Lordship Place quietschend geöffnet und wieder geschlossen.
    »Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht?« fragte Lynley.
    »Würdest du mir das bitte mal sagen, Helen.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich habe dir eben gesagt, was passiert ist. Das Kind ist tot.«
    »Wie? Wann?«
    »Das spielt keine Rolle. Entscheidend ist, daß die Kleine hätte gerettet werden können. Es hätte nie soweit zu kommen brauchen. Sie wäre vielleicht in diesem Augenblick wieder bei ihren Eltern, wenn ihr so vernünftig gewesen wärt, die Polizei zu informieren.«
    Sie wich ein wenig zurück. Ihre Stimme war schwach, als sie sagte: »Das ist nicht fair. Sie haben uns um Hilfe gebeten. Sie wollten die Polizei nicht einschalten.«
    »Helen, es ist mir gleich, worum man euch gebeten hat. Es ist mir gleich, wer euch gebeten hat. Es ging um das Leben eines Kindes, und dieses Kind ist jetzt tot. Sein Leben ist vorbei. Aus und vorbei. Sie kommt nie mehr zurück. Sie ist im Kennet & Avon-Kanal ertrunken, und ihr Leichnam wurde einfach im Schilf liegengelassen. Was also ...«
    »Tommy!« St. James stand oben an der Treppe. Deborah war hinter ihm. »Wir haben verstanden«, sagte er scharf.
    »Hast du eine Ahnung, was geschehen ist?« fragte Lynley.
    »Barbara Havers hat mich eben angerufen.«

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