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08 - Old Surehand II

08 - Old Surehand II

Titel: 08 - Old Surehand II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dann unerbittlich wieder in ihr nasses, geheimnisvolles Reich zurückzukehren.
    Auch der ‚l'Horrible‘ setzte jetzt alle Segel bei, um die unterbrochene Fahrt mit vergrößerter Geschwindigkeit wieder aufzunehmen. Zwar währte die Fahrt noch einige Tage, dann aber mehrte sich die Zahl der ihm begegnenden oder zu gleichem Ziel mit ihm zusammentreffenden Fahrzeuge, und endlich ging er auf der Reede der ‚Goldkönigin‘ vor Anker.
    Hier überließ Jenner das Ordnen der polizeilichen und hafenbehördlichen Angelegenheiten seinem Steuermann und begab sich sofort an Bord eines neben ihm liegenden Panzerschiffes, an dessen Kapitän eine der ihm anvertrauten Depeschen adressiert war. Die andern der ihm bezeichneten Fahrzeuge mußten erst noch aufgesucht werden oder befanden sich auf kurzem Ausflug in See.
    Der Kapitän nahm die Depesche in Empfang und führte ihn in die Kajüte hinab, wo sich ein kameradschaftliches Gespräch entwickelte.
    „Ihr werdet einige Zeit hier zu verweilen haben“, meinte am Schluß desselben der Kommandant des Panzerungeheuers. „Habt Ihr Bekanntschaft in der Stadt?“
    „Leider nicht. Ich werde in gesellschaftlicher Beziehung nur auf die Restauration und Hotels angewiesen sein.“
    „Dann erlaubt mir, Euch meine Verbindungen zur Verfügung zu stellen.“
    „Wird mit Dank und Vergnügen akzeptiert.“
    „Ich kenne da zum Beispiel eine exquisite Dame, die sich die ganze Etage eines der feinsten Häuser gemietet hat. Sie ist eine Pflanzerswitwe aus Martinique, nennt sich de Voulettre und gehört zu denjenigen Frauen, die ewig jugendlich bleiben, deren Alter nie bestimmt werden kann, weil Bildung, Geist und Liebenswürdigkeit die Macht der Jahre paralysieren. Sie macht ein großes Haus, scheint unerschöpflich vermögend, sieht bei sich nur die Vertreter der Aristokratie des Geistes, des Geldes und der politischen Macht und ist grad mir ganz außerordentlich interessant, weil sie große Seereisen gemacht und sich Kenntnisse über unser Beruf angeeignet hat, über welche sie mancher wackere Seebär beneiden möchte.“
    „Dann bin ich wirklich begierig, sie kennenzulernen.“
    „Ich werde Euch schon heut die Gelegenheit dazu bieten. Ich bin heut abend zu ihr geladen; wollt Ihr mit?“
    „Sicher, Kapitän.“
    „Gut. Ich werde Euch vorstellen, und dann dürft Ihr Euch so frei bewegen, als befändet Ihr Euch an Bord Eures ‚l'Horrible‘. Ist übrigens ein prächtiges Fahrzeug, Lieutenant, und ich kann Euch zu diesem Kommando aufrichtig Glück wünschen. Das war so nett, so sauber, so adrett, so boudeaux, als Ihr herbeigestrichen kamt und Ruck und Zuck die Segel und der Anker fielen. Kam er nicht von den Inglishmen in den Besitz der Vereinigten-Staaten-Flotte?“
    „Ja. Vorher aber war er das gefürchtetste Fahrzeug zwischen Grönland und den beiden südlichen Kaps. Oder habt Ihr nie von dem ‚Schwarzen Kapitän‘ gehört?“
    „Wie sollt ich nicht? Vielleicht mehr noch als Ihr. Ich wußte nur nicht gleich, wohin ich den Namen ‚l'Horrible‘ tun sollte; jetzt aber besinne ich mich. Das Fahrzeug wurde auf einer Ebenholzfahrt (Negerhandel) betroffen und daher weggenommen. Die Bemannung hing man an die Rahen und den ‚Schwarzen Kapitän‘ – ah, wie war es nur mit ihm?“
    „Er befand sich nicht an Bord, dafür aber eine Dame, die man beim Überfall eines Kauffahrers verschont und mitgenommen hatte, um ein Lösegeld zu erpressen.“
    „Wer war sie?“
    „Weiß es nicht. Seit jener Zeit hat man nie mehr etwas wieder über den Piraten gehört. Entweder hat die Lektion gefruchtet oder er ist doch mit an Bord gewesen und im Kampf getötet oder als gewöhnlicher Vormarsgast mit gehangen worden.“
    „Wäre ihm recht geschehen! Also heut abend bei der Frau de Voulettre; ich werde Euch abholen, Lieutenant, ja?“
    „Ich werde diese Ehre, – – –“
    „Pshaw, ich bitte nur, mir Euer braves Fahrzeug einmal ansehen zu dürfen, ehe wir an das Land rudern.“
    Während dieses Gespräches kam ein Mann langsam und gemächlich am Quai herabgeschlendert, ganz in der Haltung eines Menschen, der über sich und seine Zeit vollständig Herr ist. Von kaum mittlerer Statur und dabei schlank gebaut, trug er die Kleidung eines Diggers, der von den Minen kommt, um von der anstrengenden Arbeit auszuruhen und sich ein Weniges in der Stadt umzusehen. Ein breitkrempiger, vielfach zerknitterter Hut hing ihm in das Gesicht hernieder; doch vermochte er nicht, das große, häßliche Feuermal zu

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