081 - Lady Frankenstein
gefertigt
worden war.
Dona Carmen zog
die Reitkleidung aus. Nur mit Schlüpfer und BH bekleidet stand sie vor dem
Spiegel, bürstete ihre Haare und band sie schließlich zu einem Pferdeschwanz
zusammen.
Der Körper
der wohlproportionierten Spanierin schimmerte matt, als wäre ein besonderes
Make-up aufgelegt. Es fiel auf, daß eine hauchzarte, braune Schicht auf der
Haut lag.
Das Make-up
verlieh der Haut nicht nur eine gleichmäßige Tönung, sondern verbarg auch
kleine Schönheitsfehler, die niemand sehen sollte. Zwar waren die Räume, in
denen sie sich allein zu bewegen pflegte, absichtlich von innen abgeschlossen
und lagen abseits von dem Bereich, wo sich der Hauseingang und die anderen
Räume befanden, aber sie wollte stets ganz sichergehen. Man wußte nie, ob nicht
doch jemand - ob absichtlich oder zufällig - in ein Zimmer kam, wo sie, Carmen Mojales , sich gerade aufhielt.
Sie zog eine
enganliegende Hose und eine locker fallende, fast durchsichtige Bluse an.
Carmen Mojales wirkte weiblich und verführerisch. Mit typischen
Bewegungen betrachtete sie sich eitel im Spiegel und war mit ihrem Aussehen
zufrieden.
Ein
geheimnisvolles, wissendes Lächeln umspielte die schimmernden Lippen.
Dona Carmen zog
die Schranktür auf und drehte einen Garderobenhaken, an dem nichts hing, von
unten nach oben.
Lautlos glitt
in der Nische neben Schrank und Spiegel eine leichte Tapetentür zurück.
Die Nische
war gerade so breit, daß eine Person von Carmen Mojales ’
Gestalt aufrecht und mit geraden Schultern darin gehen konnte.
Die Spanierin
näherte sich dem düsteren Eingang. Ein schmaler Weg und steile Stufen führten
hinab in den Keller.
Niemand außer
ihr und Alfredo kannte im Haus diesen Geheimgang. Die Arbeiter, die ihn gebaut
hatten, lebten nicht mehr. Sie hatten ihr Geheimnis nicht preisgeben können.
Die
gutaussehende Frau führte ein Doppelleben. Sie war nicht nur Carmen Mojales , die Frau des reichen Hazienderos ,
sondern auch - Lady Frankenstein.
●
Sie betrat
die erste Stufe und griff in eine kleine Öffnung in der Wand. Hinter ihr glitt
die Tapetentür ebenso lautlos wieder zu, wie sie der Mechanismus geöffnet
hatte.
Aus
verborgenen Röhren begann es zu glühen. Ein gelblich-roter Schein leuchtete den
Geheimgang aus. Die Wendeltreppe führte in die Tiefe. Sie bestand aus Holz. Die
einzelnen Stufen waren mit einer Schaumgummischicht abgedeckt und verklebt, so
daß nicht das geringste Geräusch beim Gehen entstand.
Die
Wendeltreppe mündete vor einer Kellertür.
Carmen Mojales öffnete sie.
Sofort
dahinter begann das unheimliche Reich, das ein Regisseur für einen Gruselfilm
ausgedacht und mit einem geschickten Bühnenbildner gemeinsam entworfen und
zusammengestellt haben konnte.
Links ein
weißer Metalltisch. Darauf mehrere Glaskolben, die in schmiedeeisernen
Gestellen hingen. In jedem Glaskolben befand sich eine Flüssigkeit. Durch ein
mehrfach geschlungenes gläsernes Verbindungsrohr strömte eine smaragdgrüne
Flüssigkeit, die von einem schwammähnlichen Gebilde, das in einem viereckigen
Sieb hing, aufgesogen wurde. Darunter war ein Auffangbehälter angebracht. Dort
tropfte die gleiche Flüssigkeit, nur dunkler und zäher, wieder hervor.
In einem
anderen Glaskolben perlte eine rubinrote Flüssigkeit, die auf die gleiche Weise
gereinigt und verdickt wurde.
Mehrere
kleinere elektrische Geräte standen auf praktischen, mit Rollen versehenen
kleinen Tischen.
Die kahlen,
weißen Wände waren bedeckt mit großen handgeschriebenen und handgezeichneten
anatomischen Bemerkungen und Skizzen.
Auffallend
waren aquarienähnliche Behälter, in denen sehr viele gelbliche und azurblaue
Flüssigkeiten überwogen.
Diese
Behälter waren abgedeckt und untereinander mit mehreren dicken Kabelsträngen
verbunden. In den Aquarien schwammen menschliche Gliedmaßen und Organe, wie sie
für chirurgische und anatomische Studien in Universitäten Verwendung finden.
Doch im
Gegensatz zu den Körperteilen dort, die nur konserviert und zu Studienzwecken
aufbewahrt wurden, lebten die Organe und Glieder, die Dona Carmen alias Lady Frankenstein mit elektrischen Impulsen ständig reizte.
Es waren
Teile, die sie Verstorbenen heimlich entfernt hatte. Damit hatte sie die
Gesetze übertreten und sich schuldig gemacht. Das wußte sie. Doch sie wußte
auch, daß Fortschritt nur sein konnte, wenn man herkömmliche Grenzen
überschritt.
Mit wachsamem
Blick durchstreifte sie ihr heimlich geschaffenes, gespenstisches
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