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082 - Die Zeit der Zwerge

082 - Die Zeit der Zwerge

Titel: 082 - Die Zeit der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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Binsenwahrheit. „Die Putrefaktion - also die Verwesung - schreitet rasch voran. Nur leitet sie in diesem Fall nicht eine Vernichtung ein, sondern es verhält sich hier wie bei dem Phönix, der aus der Asche emporsteigt: Aus der Fäulnis entwickelt sich Leben."
    „Aber Paracelsus spricht auch von einer Speisung mit menschlichem Blut - oder besser mit seinem Arcanum, das den Blutsalzen innewohnt", warf ich ein.
    „Das geschieht in der zweiten Phase", sagte Belot. „Wenn die Lebensmasse sich genügend vermehrt hat, schließe ich die unterste Retorte an das mittlere Gefäß an. Hier wird die Lebensmasse mit dem Arcanum des Blutes gespeist, so daß sie eine Form bekommt."
    „Ich habe diese Versuche schon oft nachvollzogen, doch konnte ich nicht einmal einen Regenwurm erschaffen", gestand ich. „Allerdings muß ich sagen, daß ich alles in einen Arbeitsgang zusammengedrängt habe."
    „Es sind aber drei", erklärte Belot. Er deutete auf die mittlere Retorte. „Es bedarf eines guten Auges und langwieriger Messungen, um zu erkennen, wann die Lebensmasse nicht mehr entwicklungsfähig ist und ihre reifste Form in der zweiten Retorte erreicht hat. Man muß den Zeitpunkt genau bestimmen, denn wenn die Lebensmasse zu lange mit dem Arcanum gespeist wird, stirbt sie innerhalb weniger Augenblicke ab. Wählt man aber den richtigen Zeitpunkt und schließt die Retorte dann an das dritte Gefäß des Athanor an, so wächst sich die Lebensmasse darin zu einem lebenden Geschöpf aus, dessen Gestalt man sogar bestimmen kann. Es kommt nur darauf an, woher man den Samen und das Blut und die anderen Zusätze genommen hat. Achtung, Michele! Gleich werdet Ihr Zeuge eines großen Augenblicks sein!"
    Ich wich einen Schritt zurück, um Belot nicht im Wege zu stehen, und beobachtete interessiert jede seiner Handbewegungen.
    Er entfernte zuerst die oberste Retorte und stellte sie in einer Wandhalterung ab. Dann schloß er die mittlere Retorte an das oberste Gefäß des Athanor an und setzte die Unterste Retorte in die Mitte. Das alles dauerte nur wenige Atemzüge lang.
    Belot klatschte in die Hände.
    „So einfach geht das, wenn man das richtige Rezept hat. Und jetzt kommt mit!"
    Er nahm die Retorte mit der tintenschwarzen Flüssigkeit aus der Halterung und ging damit zu einem Holzfaß. Dort schraubte er den dünnen Hals von der Retorte ab und schüttete den Inhalt in das Holzfaß. Ich hörte das plumpsende Geräusch, als ein Körper auf dem Boden des Fasses aufschlug. Die Tinte floß ab. Zurück blieb ein Wesen, das aussah wie eine junge Katze ohne Fell. Nur war der Kopf etwas zu klein geraten, die vier Beine waren zu kurz und zu plump. Das Rückgrat war krumm. Das Wesen ging wie eine Krabbe seitlich; es war aber noch zu schwach und knickte laufend ein. Schließlich kauerte es sich, jämmerlich winselnd, hin und starrte aus furchterregend großen und roten Augen zu uns herauf.
    „Wie gefällt Euch dieser Homunkulus, Michele?" fragte Belot.
    „Soll das eine Katze sein - oder was?" fragte ich beklommen.
    „Ein Bastard ist's", erklärte Belot. „Ich habe die vielfältigsten Geschöpfe erschaffen, und kaum eines sah aus wie das andere. Das kommt davon, daß ich bei der Beschaffung des Blutsalzes und des Samens nicht wählerisch sein kann. Ich muß nehmen, was ich bekomme. So hole ich mir meine Zutaten sowohl von Gehenkten und aus den Freudenhäusern in der Rue du Val d'amour - als auch von Tieren. Mit genügend menschlichem Sperma und Blut kann ich auch ein durch und durch menschliches Geschöpf erschaffen.
    Mir schwindelte. Als Belot mit einer Zange in das Faß langte und damit die Kreatur aus der Retorte herausholte, rief ich entsetzt: „Was macht Ihr da?"
    „Ich werfe es weg. Das tue ich immer, wenn mich das Ergebnis nicht befriedigt. Aus diesem Geschöpf hier wird nichts Rechtes. Das sehe ich auf den ersten Blick."
    „Habt Ihr schon viele Eurer Schöpfungen weggeworfen?"
    „Ich führe nicht Buch darüber." Er hob die Schultern. „Manchmal verfüttere ich die Aborte an Hunde, aber ich habe auch schon Dutzende von ihnen auf dem Friedhof der Verlorenen Kindlein begraben. Was ist mit Euch, Michele?"
    Ich mußte mich stützen.
    „Habt Ihr Euch immer davon überzeugt, daß die Geschöpfe, die Ihr begraben habt, auch wirklich tot waren?"
    Belot hob wieder die Schultern: „Sie werden wohl erstickt sein. Es ist nicht schade um sie. Es waren Kretins. Die schönsten Exemplare habe ich natürlich am Leben gelassen. Ich halte sie in Käfigen.

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