0822 - Nomaden der Hölle
Mund. Ihr Hass auf alle Blutsauger ließ keine Ausnahmen zu. Nicoles Antwort fiel nicht minder heftig aus.
»Ja, auch dann, Mirjad! Es gibt nicht immer nur Schwarz und Weiß - das musst du noch lernen. Und du wirst es lernen. Ich hoffe für dich, dass dieser Lernprozess nicht all zu schmerzhaft ausfällt. Es gibt mehr als nur Liebe und abgrundtiefen Hass. Dazwischen existieren noch unzählige andere Dinge! Du solltest dich mit diesem Gedanken anfreunden. Sonst wird dich der Hass auffressen. Und irgendwann wird er sich gegen dich selbst richten.«
Von da an gingen die beiden Frauen schweigsam nebeneinander her…
***
Tan Morano schreckte hoch.
Nur mit großer Willensanstrengung gelang es ihm, seinen rechten Arm zu senken. Seine Hände zitterten, die Handflächen waren schweißnass. Verwirrt schloss er die Augen, ballte die Fäuste, bis sich seine langen Fingernägel in das Fleisch der Handballen bohrten.
Was war in den vergangenen Sekunden geschehen?
Oder waren es Minuten, die in seiner Erinnerung fehlten?
Keine zwei Meter vor ihm saß dieser Irre, der sich Assunta nannte, auf dem Thron, den einst Sarkana für sich errichtet hatte. Es hatte Morano keine großen Mühen gekostet, den dunkelhäutigen Vampir zum Sprechen zu bewegen.
Tan konnte äußerst charmant sein, wenn er ein bestimmtes Ziel erreichen wollte. Und das beschränkte er durchaus nicht ausschließlich auf das weibliche Geschlecht. Auch Männer ließen sich nur zu gerne schmeicheln - es lockerte ihre Zungen enorm Man musste ihnen nur sagen, wie interessant, wie klug und bewundernswert sie doch waren. Morano spielte periekt auf der Klaviatur der Eitelkeiten.
Und so hatte er in kürzester Zeit die Geschichte Assuntas erfahren, die ja die Geschichte eines ausgelöschten Volkes war - gnadenlos vernichtet von Sarkana, der auch vor einem Völkermord nicht zurückgeschreckt hatte.
Tan Morano musste zugeben, dass Assunta eine tragische Figur war, der man ganz einfach nie die Chance gegeben hatte, in Ruhe und Frieden inmitten ihres Volkes zu leben. Morano hatte eine kleine Schwäche für so geartete Geschichten, von denen er sich ganz fesseln ließ. So auch hier, in dieser surreal anmutenden Umgebung.
Mit einem Mal jedoch war etwas geschehen, das sich seiner Kontrolle entzogen hatte. Etwas hatte sich seines Willens bemächtigt, hatte Moranos Körper Befehle erteilt, gegen die dieser sich nicht wehren konnte. Hatte er es überhaupt versucht? Morano wusste es nicht mehr.
Erst in dem Moment, in dem er seine Hand nach Assunta ausgestreckt hatte, war er wieder Herr seiner selbst geworden. Um zu verhindern, dass…
Morano machte einige Schritte rückwärts. Er wollte räumliche Distanz zwischen sich und den König der Asanbosam bringen. Vielleicht konnte er so verhindern, dass der fremde Wille erneut auf ihn Übergriff.
Assunta hatte von alledem nichts bemerkt. Er redete nach wie vor ohne Unterlass.
Er redet mit sich selbst! Mich hat er längst wieder vergessen. Morano strich sich mit dem Handrücken über die Stirn. Was hatte er hier noch zu suchen? Er war ausschließlich in das Refugium gekommen, um sich selbst davon zu überzeugen, dass Sarkana vernichtet war. Vorgefunden hatte er einen Dschungel, in dem sich ein Wahnsinniger als Herrscher aufspielte.
Der Boden unter den Füßen des Vampirs bewegte sich kaum merklich. Morano konnte sich leicht ausrechnen, was das zu bedeuten hatte; für ihn nur ein weiterer Grund, um von hier zu verschwinden. Sein Blick blieb an Assuntas Krone hängen. Auch wenn Morano sich noch so bemühte, er musste sie einfach anstarren.
Sie war es!
Sie hatte sich seiner Sinne bemächtigt, die Dunkle Krone…
Und sie würde es erneut tun! Vielleicht war Morano nicht noch einmal in der Lage sich diesem Zwang zu entziehen.
Sie will, dass ich sie Assunta vom Kopf reiße. Sie will… zu mir!
Und er erkannte auch den Grund, warum die Krone ihren über Jahrhunderte angestammten Platz verlassen wollte. Die finstere Magie in ihr hatte sich einst zu einer Symbiose mit Assunta entschlossen, doch nun wurde deutlich, dass sie verbunden mit dem Asanbosam auf ewig hier verweilen musste. Assuntas Verstand hatte die Ereignisse nicht verkraftet. Für ihn gab es jetzt nur noch das Refugium, das er nach seinen Vorstellungen formen wollte. Dies, und die Träume in die Vergangenheit, in die er sich immer tiefer und unlösbarer verstrickte, war alles, was er noch wollte.
Und die Dunkle Krone war zur Gefangenen der Kreatur geworden, die sie
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