0831 - Wurzel des Bösen
schien. Nun war von dieser Gefahr in der weißen Stadt nichts mehr zu spüren.
Von Laertes hatte Sabeth dazu nur die kurze Information erhalten, dass die Krone hier nun keine aktive Rolle mehr spielte. Warum das so war, konnte er ihr auch nicht exakt beantworten. Oder er wollte es nicht.
Sabeth war dem hageren Vampir dankbar, denn er hatte sich in einem Augenblick um sie gekümmert, da sie innerlich bereits mit allem abgeschlossen hatte. Assuntas Tod traf sie, doch um wie viel schlimmer war-Tahums Ende für die schöne Vampirin. An Laertes’ ständige Einsilbigkeit musste sie sich erst noch gewöhnen.
Die Dunkelhäutige bewegte sich in Richtung des Stadtzentrums, obwohl dies nicht so einfach auszumachen war. Armakath dehnte sich ohne Pause aus. Neue Gebäude entstanden, Straßenzüge, ganze Viertel. Eine mächtige Anlage, urban, doch völlig ohne Leben. Die Vampirin schüttelte den Kopf - das war falsch. »Ohne Leben« traf die Wahrheit eigentlich nicht, denn sie fühlte die unerklärbare Ausstrahlung, die ihr jedes einzelne Gebäude entgegenbrachte.
Versteinertes Leben? Träume, Hoffnungen, Glaube - alles schien in den steinernen Monumenten zu existieren. Sabeths Verwirrung wuchs mit jedem Schritt, den sie hier tat. Immer wieder lauschte sie dem immer wieder an- und abschwellenden Lärmpegel, der von den Ratten außerhalb der Stadtmauer verursacht wurde. Anscheinend starteten die Nager keinen neuerlichen Versuch, um in die Stadt einzudringen.
Was war dann ihr Ziel?
Wartete die Rattenarmee auf etwas? Oder auf jemanden? Jemanden, der sie in die Schlacht führen sollte? Vielleicht lag Sabeth damit auch ganz falsch. Möglich, dass die Anwesenheit der Tiere nur verunsichern sollte. Niemand konnte ahnen, welche Strategie die Schwarze Familie verfolgte.
Sabeth sah sich erstaunt um. Sie war in einem Straßenzug gelandet, der eine Besonderheit aufwies. Wo sonst Haus an Haus stand, ohne auch nur eine Lücke zu hinterlassen, sah das hier anders aus.
Zwischen einem Kuppelbau, und einer lang gestreckten Halle mit flachem Dach klaffte eine sicherlich zwanzig Schritte breite Baulücke. Auf dem ebenen Boden stand eine Art kleiner Hütte - fensterlos mit spitzem Dach. Sabeth ging verwundert darauf zu. Das ganze Häuschen war nicht viel breiter als seine Türöffnung. Im Grunde konnte Sabeth das alles gleichgültig sein, doch ihre Neugier war größer als jedes Phlegma. Vorsichtig trat sie ein; keines der unzähligen Häuser Armakaths war bewohnt, und dennoch kam sich Sabeth wie eine Einbrecherein vor, wenn sie eines betrat.
Dieses jedoch war nicht nur äußerlich eine Ausnahme.
Sabeth sprang einen Schritt zurück, als sie bemerkte, dass direkt hinter dem Eingang ein tiefer Schacht auf ungebetene Besucher wartete. Ein Augenblick des Zögerns nur, ein weiterer unbedachter Schritt von ihr, dann hätte es kein Halten mehr gegeben. Sabeth wäre hilflos in der schier endlosen Tiefe verschwunden.
Vorsichtig blickte sie in den Schlund. Einen Boden konnte sie mit bloßem Auge nicht ausmachen. Und das trotz der erstaunlich guten Beleuchtung. Verwundert betrachtete die ehemalige Vampirkönigin die Wände des Schachtes -von ihnen ging das helle Leuchten aus, das die Tiefe erhellte. Möglich, dass sich in dem Gestein fluoreszierende Minerale befanden. Das war eine Möglichkeit, aber sicher nicht die einzige.
Sabeth versuchte, sich über den Sinn dieses Loches klar zu werden. In keinem anderen Haus hatte sie so etwas vorgefunden. Ein kalter Schauer überkam sie, als ihr klar wurde, wie nahe sie dem Absturz gewesen war.
»Du wärst nicht in die Tiefe gefallen«, sagte jemand hinter ihr.
Sabeth wirbelte herum. Nur zwei Schritte hinter ihr stand die Wächterin der weißen Stadt. Ihr Lächeln wirkte echt, doch in den Augen der Schönheit lag tiefe Ernsthaftigkeit.
»Sieh her, ich werde es dir zeigen.« Sabeth registrierte erst jetzt den Rattenkadaver, den die Wächterin in der linken Hand hielt. Hatte es doch eines der-Tiere bis in die Stadt geschafft? Oder hatte die Rothaarige sich das Tier als Anschauungsmaterial besorgt?
Die Hüterin Armakaths - oder war sie tatsächlich Armakath in persona? -warf das tote Nagetier mit Schwung in das schmale Gebäude hinein. Es folgte nur ein Aufblitzen, eine flammende Impression, mehr nicht. Doch von dem Kadaver war nichts mehr zu sehen. Noch bevor er in den tiefen Schacht hatte fallen können, war er verdampft, aufgelöst.
Sabeths Nackenhaare sträubten sich. Das war es also, was eben beinahe
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