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0837 - Aibon-Blut

0837 - Aibon-Blut

Titel: 0837 - Aibon-Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ferner, daß auch ein John Sinclair nichts über den Verbleib der Familie bekannt ist.«
    »Er wird unter der Folter reden.«
    »Nie!«
    Der Rote Ryan hatte genug gesprochen, und Harry, der sehr genau hinschaute, bekam mit, wie der Mann die Flöte anhob und das Mundstück an seine Lippen setzte.
    Dann fing er an.
    Wieder blies er eine Melodie, die man als solche kaum bezeichnen konnte. Sie war einfach anders, sie war so sanft und gleichzeitig so schrill. Sie tönte, sie jubilierte, sie zeigte auch Schmerz, aber sie verlor nie ihre Wirkung.
    Als unheimliches und hohl klingendes Pfeifen drangen die letzten Klänge aus der Flöte, deren Material hell schimmerte, als wäre sie aus einem besonderen Holz hergestellt worden.
    Die Töne jaulten gegen den Kopf.
    Harry wußte, was folgte.
    Er war von diesem unheimlichen Vorgang fasziniert, denn es ging wieder weiter.
    Der Kopf löste sich auf.
    Das Kinn verschwand zuerst, dann war die rechte Seite des Kopfes an der Reihe, und es löste sich die Wange auf.
    Immer höher wanderte dieser unheimliche Vorgang, er erfaßte das Auge, das für einen Moment grünlich nachzuckte, als hätte es noch einmal Farbe bekommen.
    Dann war es weg!
    Harry begriff nichts mehr. Er wußte auch nicht, was er noch tun sollte. Er stand da, und sein Mund ließ sich nicht mehr schließen. Ein Lachen drang nicht über seine Lippen, auch kein Seufzen, es war einfach nicht mehr zu fassen. Sein Gefühl schwankte zwischen Faszination und Grauen, und er schüttelte, als er sich bewegen konnte, einige Male den Kopf. Der andere Kopf bestand nur mehr aus einer Lücke oder aus einer Hälfte, die noch übriggeblieben war.
    Nicht mehr lange.
    Der Rote spielte, und die Wanderung des Auflöseprozesses ließ sich nicht stoppen. Diesmal wurde der Kreis eingehalten, denn nun war die Stirn an der Reihe.
    Sie verschwand, während des Flötenspiels. Der Mann in Grau hatte plötzlich nur noch ein Auge.
    Grünes Licht funkelte darin, doch der Flötenspieler kannte kein Pardon.
    Er schaffte auch dies.
    Das Auge verschwand, und der Zuschauer hatte das Gefühl, es zischen zu hören.
    Dann gab es nichts mehr. Aus, vorbei…
    Die Hände des Flötenspielers sanken zugleich mit dem Instrument nach unten. Sein Gesicht und seine Haltung hatten sich dabei nicht verändert. Er drehte nur ein wenig den Kopf, um Harry Stahl anschauen zu können.
    Es war dunkel, dennoch bekam der Detektiv diesen Blick genau mit. Er funkelte ihn an, er war anders, er lotete aus, er suchte und forschte in seinem Gesicht.
    Aber auch Harry wollte den anderen sehen und wunderte sich im nächsten Moment über seinen eigenen Mut. Da nämlich hatte er in die Tasche gegriffen und seine Lampe hervorgeholt. Bisher war es ihm nicht vergönnt gewesen, die gesamte Gestalt zu sehen. Das sollte sich ändern, und der rote Ryan hatte nichts dagegen, als ihn der Lichtstrahl erwischte. Er zwinkerte nicht einmal mit den Augen, aber auf das Gesicht hatte Harry auch nicht gehalten.
    Ihm reichte die Kleidung des Menschen, und der erste, auch im Dunkeln erlebte Eindruck hatte ihn nicht getäuscht. Dieser Mann war angezogen wie…
    Er wußte es nicht, er konnte es nicht sagen und suchte vergeblich nach irgendwelchen Vergleichen.
    Sollte er ein Lumpensammler sein, der seine Kleidung eben aus diesen Sachen hergestellt hatte?
    Es kam ihm beinahe so vor. Er verband auch den Mann mit einem Stück Natur, mit einem Waldläufer aus irgendwelchen Western-Geschichten. Hier kam eben so vieles zusammen, aber die reine Wahrheit traf er mit seinen Ansichten bestimmt nicht.
    An der Gestalt hoch wanderte die Lichtlanze. Der Mann rührte sich nicht, er nahm es auch hin, als sein Gesicht durch den hellen Lichtkreis aus dem Dunkel zwischen den Ruinen gerissen wurde. Die Haut war relativ blaß, worüber sich Harry wunderte. Im krassen Gegensatz dazu stand das feuerrote Haar, es wuchs wie ein wilder Besen auf seinem Kopf. Da standen die Haare in die Höhe, sie sahen so aus, als wäre noch nie ein Kamm durch sie gefahren.
    Und dann die Augen.
    Grün und dabei leicht blaß. Je nachdem wie das Licht gegen sie fiel, wirkte sie mal intensiv, mal weniger kräftig. Dieser Mann war ein Phänomen. Harry hatte sich zumindest soweit gefangen, daß er eine Frage stellen konnte. »Wer… wer… sind Sie?« hauchte er. »Wer bist du…?«
    »Der Rote Ryan.«
    »Was genau?«
    Er wiederholte den Namen, wobei über seine Lippen ein leicht spöttisches Lächeln floß.
    Harry nickte, obgleich es nichts zuzustimmen gab.

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