0843 - Tunnel der hungrigen Leichen
gemächlich drehte ich mich um. Beide standen vor mir. Jetzt, wo sie auch der Lichtschein erfaßte, waren sie besser zu sehen, und sie wirkten nicht mehr so fremd und unnahbar. Sie waren da, zwar keine Menschen im direkten Sinne, aber ich hatte durchaus den Eindruck, daß ich mich mit ihnen unterhalten konnte.
In ihren Gesichtern rührte sich nichts. Bei diesem Kämpfer funkelte das normale Auge. Möglicherweise durch einen Lichtreflex verursacht, der gegen die Pupille fiel.
»Okay, Freund.« Ich gab nicht locker. »Wir sind jetzt ganz unter uns. Was also ist los?«
Noch schwiegen sie.
Ich nahm es locker. »Normalerweise stellt man sich vor, wenn man in die Wohnung eines Fremden eindringt. Das habt ihr wohl nicht nötig gehabt. Wer, zum Henker, seid ihr, und was wollt ihr von mir?«
Es war der Mann, der redete. Für einen winzigen Moment zuckten seine Lippen, dann stieß er zischend die Antwort hervor. »Ich bin Rob Exxon.«
»Wie schön für dich.«
»Und ich heiße Jolanda Lamaire.«
Die Frau hatte nur leise gesprochen, den harten Klang ihrer Stimme allerdings nicht unterdrücken können, und er paßte auch zu ihrer allgemeinen Gestalt.
Mit beiden Namen konnte ich nichts anfangen, sie sagten mir einfach nichts, und deshalb stellte ich sofort die nächste Frage. »Woher kommt ihr?«
»Es spielt keine Rolle«, antwortete Rob. »Es ist ein Land, das du nicht kennst.«
»Ich lerne gern dazu.«
»Es spielt keine Rolle!« wiederholte er. »Wir sind nicht ohne Grund bei dir erschienen.«
»Das kann ich mir denken. Was wollt ihr von mir?«
»Dich mitnehmen.«
Diesmal war ich sprachlos. Ich hätte es mir denken können, aber so weit hatte ich tatsächlich nicht gedacht, deshalb schüttelte ich etwas verwundert den Kopf. »Mich mitnehmen? Zu euch? In eure Welt? In eure Dimension? Das ist doch richtig - oder?«
»Ja, es stimmt.«
»Und wohin wollt ihr mich bringen, bitte schön?«
»In die Fremde, die für uns nicht fremd ist. Dort sollst und wirst du sehen können.«
»Was?«
»Du wirst es erleben.«
So gespannt ich war, einfach wollte ich es ihnen nicht machen. Der Begriff einer Entführung kam mir nicht in den Sinn. Da ich allerdings andere Reiche und Welten kannte und auch von ihren Gefahren wußte, wollte ich es den beiden nicht so leicht machen. »Was sollte mich denn schon daran reizen, mit euch zu kommen? Das ist doch nicht interessant. Ich will es einfach nicht.«
»Wir können dich zwingen.«
»Das denke ich mir. Wenn ihr mir erklären würdet, was ich in dieser anderen Welt soll. Ich komme damit nicht zurecht.«
»Du wirst alles sehen.«
»Gut, und wann bin ich wieder zurück?«
»Sehr schnell sogar.«
»Noch in dieser Nacht?«
Rob Exxon hob die Schultern.
Nun ja, ehrlich war er auf eine gewisse Art und Weise. Wenn ich ehrlich gegen mich selbst war, mußte ich eingestehen, daß mich auch eine gewisse Neugierde gepackt hatte. Zudem sah ich dieses seltsame Paar nicht unbedingt als Feinde an. Sie waren erschienen, um mich zu holen. Dabei sahen sie selbst aus, als könnten sie sich gut wehren, aber sie wollten mich. Möglicherweise benötigten sie meine Hilfe und wollten dabei auf Nummer Sicher gehen, daß dies auch klappte.
Ich legte die Stirn in Falten und nickte. »Gut, wenn ihr es nicht anders wollt und mir keine Möglichkeit laßt, ich werde gehen. Ich muß mich auf euch verlassen. Zuvor hätte ich eine Frage. Könnt ihr mir verraten, was mich in eurer Welt erwartet?«
»Das Grauen!« Diesmal hatte die Frau gesprochen, und sie redete auch weiter, allerdings mit gedämpfter Stimme. Die Worte verließen zischelnd den Mund. »Es erwarten dich die schwarzen, hungrigen Leichen. Es erwartet dich das Wasser, der Tunnel, es erwartet dich der Tod…«
Die Erklärung war nicht ohne Eindruck auf mich geblieben, was ich äußerlich nicht zeigte. »Und dorthin wo mich all dies erwartet, soll ich wirklich freiwillig mit euch hingehen?«
»Ja.«
Ich drehte mich halb und deutete auf Suko. »Warum ich? Warum nicht er?«
»Das ist einfach.«
»Wieso?«
»Wir brauchen ihn nicht. Noch nicht. Es ist auch nur ein Test, du bist schnell wieder hier. Aber du wirst uns dankbar sein, daß wir dich zu dieser Reise überredet haben. Wir können in die Zukunft schauen.«
»Toll.«
Jolanda ließ sich nicht unterbrechen. »Ja, wir schauen in die Zukunft. Wir wissen, daß du den Weg an dieses Ziel sowieso gefunden hättest. Daran hätte kein Weg vorbeigeführt. Deshalb ist es besser, wenn du dir einen ersten
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