0843 - Tunnel der hungrigen Leichen
vorhatten, würden sie schon früh genug hier erscheinen.
Eine Bewegung?
Ich war für einen Moment zusammengezuckt und hatte gegen die linke Seite des Zimmers geschaut.
Genau, nicht weit vom Fenster entfernt, war der Schatten für einen Moment zu sehen gewesen.
Ich richtete mich auf.
Als ich den Kopf drehte, sah ich nichts. Wohl eine Täuschung, und ich legte mich wieder zurück.
Mein Kopf hatte das Kissen noch nicht ganz berührt, als ich aus dem Wohnzimmer ein Geräusch vernahm.
Es war nicht zu identifizieren, aber meine Sinne schlugen augenblicklich Alarm.
Ich wälzte mich herum, die Beine berührten den Boden, und im selben Augenblick verdunkelte ein Schatten den Ausschnitt der Tür. Dort stand jemand.
Es war nicht Suko.
Vor mir sah ich den Einäugigen, der mit beiden Händen den Stiehl seines Beils festhielt…
***
Mein erster Gedanke galt Suko. Deshalb hatte ich das Geräusch gehört. Diesem Eindringling mußte es gelungen sein, die Wohnung lautlos zu betreten, und er hatte Suko deshalb überraschen und wahrscheinlich ausschalten können.
Mein Mund blieb stumm. Im Innern wallte die Hitze hoch, begleitet von einer ziehenden Kälte. Ich dachte daran, daß ich meine Beretta nicht abgelegt hatte, aber der Fremde tat nichts, um mich direkt zu bedrohen. Er stand einfach nur da und schaute mich an.
Mir kam er vor wie ein mächtiger Schatten, der sich jeden Augenblick verwandeln konnte, es aber nicht tat, dafür mit einem gleitenden Schritt näher an das Bett herantrat.
Um in sein Gesicht sehen zu können, mußte ich den Kopf anheben. Die Augenklappe sah aus wie ein düsterer Mond, der den eigentlichen Schrecken verbergen sollte. Der Stahl der Waffe glänzte matt, und meine eigene Stimme klang mir fremd, als ich die erste Frage stellte, wobei ich selbst kaum auf eine Antwort hoffte.
»Wer bist du?«
Der Einäugige gab keine Antwort. Er ging von der Tür weg und nach rechts auf den Schrank zu. Es war mehr ein Gleiten, als würde die kompakte Gestalt den Boden gar nicht berühren.
Ich wollte seinen Weg auch weiterhin verfolgen, wurde allerdings von einer weiteren Bewegung abgelenkt.
Sie war da!
Die Frau mit den Zöpfen hatte den Platz des Einäugigen eingenommen. Sie stand da und schaute in das Zimmer. Auch sie regte sich nicht, und ihre Waffe wies ins Zimmer. In der Dunkelheit waren kaum Einzelheiten in ihren Gesichtern auszumachen, sie wirkten so anders, so düster und gleichzeitig leicht metallisch schimmernd.
Da hatte ich also beide.
Ich stand auf.
Niemand hinderte mich daran. Ich wollte hier nicht klein beigeben und den Feigling spielen, deshalb setzte ich mich in Bewegung und ging geradewegs auf die Frau mit den Zöpfen zu. Das Schlafzimmer gefiel mir nicht mehr, denn ich dachte an meinen Freund Suko. Wäre er normal gewesen, hätte er bemerkt haben müssen, was hier geschehen war, und ich dachte auch an das verräterische Geräusch kurz vor dem Erscheinen der beiden Gestalten. Es war die berühmte Kraftprobe. Würde sie mich durchlassen, oder würde sie mir mit Gewalt den Weg in den Flur versperren?
In mir hatte sich schon ein seltsames Gefühl ausgebreitet, als ich auch den nächsten Schritt ging.
Einer mehr, und ich würde gegen die Waffe laufen, die sich dann in meine Brust bohrte.
Es fiel mir zwar schwer, doch ich schaffte es, die Klinge zu ignorieren. Mein Blick fraß sich in den Augen der Person fest. Sie schimmerten heller als das Gesicht und als der Körper. Es war eine berühmte Kraftprobe, die Sekunde vor dem Sturm, der nicht eintrat, denn die Frau drehte sich blitzartig ab und auch die auf mich zielende Messerspitze wies plötzlich zu Boden.
Dann ging ich weiter.
Sie ließen mich beide in Ruhe. Ich schlich durch den Flur, noch immer das Ziehen im Nacken, aber ich schaute mich nicht um. Ich ließ sie bewußt auf meinen Rücken schauen.
Im Wohnraum saß Suko noch immer auf demselben Platz, nur schaute er nicht zur Tür, sondern vor sich auf die Knie. Der Kopf war nach vorn gesunken. Suko sah aus, als schliefe er, nur wußte ich, daß es nicht der Fall war, und ich ging mit schnellen Schritten auf ihn zu.
War er tot?
Auch ein Toter hätte diese Haltung einnehmen können, doch der heiße Schreck löste sich auf, als ich den wahren Zustand meines Freundes erkannte.
Er »schlief« nur.
Es war ein besonderer Schlaf, in den ihn ein Schlag versetzt haben mußte.
Gesehen hatte ich es nicht, ich fühlte aber, daß ich mich nicht mehr allein mit Suko im Zimmer befand. Sehr
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