0843 - Tunnel der hungrigen Leichen
liegende Etage des Hauses wie ein Geist durchdrungen.«
Mein Mund zeigte ein schiefes Grinsen. »So ähnlich muß es mir auch ergangen sein.«
»Kannst du hochkommen?«
Ich konnte, auch wenn ich die Hilfe meiner beiden Freunde in Anspruch nehmen mußte und dann relativ wacklig zwischen ihnen stand, an mir herabschaute und einen Geruch empfing, der zuvor schon Shao und Suko gestört hatte.
Mich störte er auch, denn ich roch nicht nur, ich stank nach fauligem Wasser und alten Abfällen.
Die Hosenbeine klebten vor Dreck.
»Wie war denn dein Spaziergang?« fragte Suko.
»Spaziergang ist gut.«
»Hast du eine Schlammschlacht hinter dir?«
»So ähnlich.« Ich löste mich von meinen Freunden und ging in Richtung Bad. »Wartet hier, ich möchte da einiges loswerden und mich kurz abduschen.«
»Okay.«
Noch einmal drehte ich mich um. Dabei schielte ich auf die Uhr. Es war spät geworden, aber nicht zu spät, denn die Tageswende lag erst knapp neun Minuten zurück. Was in diesen letzten Minuten geschehen war, darüber wollte ich im Bad nachdenken, und die beiden Freunde sahen mir auch an, daß ich allein sein mußte.
»Wir werden warten«, sagte Suko. »Soll ich dir schon einen Whisky einschenken?«
»Wieso…?«
»Ich denke mal, daß wir bald unsere Sachen packen und eine Reise nach Amsterdam unternehmen. Und dort trinkt man doch Genever.«
Suko sagte nichts. Shao enthielt sich ebenfalls eines Kommentars, aber beide schauten mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. »Später mehr«, sagte ich.
Ich war froh, die Jeans ausziehen zu können. Auf der anderen Seite bewies mir gerade dieses Kleidungsstück, daß ich nicht geträumt hatte. Ich war in dieser verdammten Gracht oder dem Tunnel der hungrigen Leichen gewesen und ich hatte zwei Gestalten erlebt, die Rob und Jolanda hießen, von denen ich aber nicht wußte, ob sie normale Menschen waren oder als Geister nur diese außergewöhnliche Gestalt angenommen hatten. Die Rätsel waren durch meine Entführung nicht gelöst worden.
Das faulige Wasser hatte seinen Geruch auf meiner Haut hinterlassen. Da war eine Dusche das Beste. Ich beeilte mich, zog andere Klamotten an, und als ich wieder zurückkehrte, hatten es sich Shao und Suko bequem gemacht. Der Whisky stand bereit, die Flasche sogar in Reichweite.
Ich setzte mich den beiden gegenüber. Mir fiel auf, daß Suko auch etwas angeschlagen wirkte. »Du siehst auch nicht eben aus, als hättest du einen Erholungsurlaub hinter dir.«
»Ja, das stimmt.«
»Und was war?«
»Man hat mich ebenso überrascht wie dich.«
Ich genoß den ersten Schluck und fragte dann: »Redest du von Rob und Jolanda?«
»Wie bitte?«
Ich wiederholte den Namen, und Suko behauptete, die beiden nicht zu kennen.
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Du kennst sie?«
»Sicher. Sie haben dich erwischt und mich ebenfalls.«
»Nur wurde ich bewußtlos im Gegensatz zu dir, John.«
»Mich schleppte man in die Gracht oder den Kanal der hungrigen Leichen.« Ich schaute die beiden an und grinste, ohne ein Wort zu sagen.
»Ja«, sagte Suko und lächelte ebenfalls. Aber so, daß ich sah, wie wenig er mir glaubte.
Shao reagierte kaum. Sie schaute mich nur an und wartete auf eine Erklärung.
Die bekam sie, wobei Suko natürlich mithörte. Ich sagte den beiden, was ich wußte, und nach meinem Bericht war es in der Wohnung totenstill. Selbst das Atmen hatten wir eingeschränkt.
»Deshalb also Amsterdam«, murmelte Suko schließlich.
»Genau.«
»Soll ich dich jetzt fragen, John?«
»Nein, laß es lieber. Ich weiß ja, was dir auf der Seele brennt, es sind die gleichen Probleme, die auch ich habe, aber ich könnte dir keine Antwort darauf geben.«
»Dann müssen wir also hin.«
»So ist es.«
Suko hob die Schultern. »Jolanda und Rob. Zwei Namen, mit denen ich nicht zurechtkomme. Du?«
»Nein.«
»Aber sie sehen so aus, wie du sie beschrieben hast?«
»Ja.«
»Gestalten aus einer anderen Dimension.« Suko lächelte weich, als er Shao anblickte. »Bist du nicht auch mal etwas anderes gewesen, meine Liebe?«
»Das ist richtig. Nur sind mir diese beiden noch nicht begegnet. Da gab es keine Berührungspunkte, obwohl ich nicht ausschließen will, das sie ein ähnliches Schicksal haben oder hatten wie ich. Darüber solltet ihr mit ihnen sprechen, wenn ihr sie seht.«
»Machen wir.«
Lange blieben wir nicht mehr zusammen. Suko und Shao verschwanden wieder. Wir wünschten uns gegenseitig eine ruhige Nacht und einen gesunden
Weitere Kostenlose Bücher