085 - Professor Kulls Blutnixe
wiederzusehen, und er strahlte dabei so sehr, daß ich keinen Grund hatte, an der Wahrheit dieser Äußerung zu zweifeln.
»Wie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen haben wir dich gesucht«, sagte Noel Bannister. »Zum erstenmal wurde uns dabei bewußt, wie groß so ein Meer ist und wie klein ein Mensch.«
»Beinahe wären wir an Ihnen vorbeigefahren, Tony«, sagte Fred Arness.
»Das fiel mir auf«, sagte ich finster.
»Tja, manchmal haben eben auch CIA-Agenten Tomaten auf den Augen«, bemerkte Noel Bannister. Seit wir uns das letztemal gesehen hatten, war sein Haar noch länger geworden. Er schien die Absicht zu haben, es überhaupt nicht mehr schneiden zu lassen. Grau, fast weiß war es gefärbt, und es wuchs ihm weit über den Hemdkragen. »Ich bin froh, dich gefunden zu haben, Tony. Das müssen wir unbedingt begießen. Fred, hol die Flasche. Wir machen das gleich, damit wir es nicht vergessen.«
Arness holte einen Flachmann und drei Becher, die er füllte.
»Ich trinke auf dein zweites Leben, Tony Ballard«, sagte Noel Bannister fast feierlich. »Und auf unser Wiedersehen.«
Wir stießen mit den Bechern an, und dann tranken wir. Der Whisky war edel. Nach meinem unfreiwilligen Bad und den vielen Aufregungen war er eine echte Wohltat, ein willkommener Muntermacher.
»Es war höchste Eisenbahn für dieses Wiedersehen«, sagte ich und gab den leeren Becher zurück.
»Schwimmst du nicht so gut?« fragte Noel Bannister.
»Oh, ich schwimme wie Mark Spitz«, erwiderte ich. »Wenn man mich läßt.«
»Man ließ dich doch«, sagte Noel und wies auf das Meer.
»Da war ein Hai…«
»Heiliger Strohsack. Das ist natürlich verdammt unangenehm.«
»Kannst du laut sagen. Wieso warst du nicht auf dem Flugplatz?«
»Wegen des Telegramms, das du mir geschickt hast«, antwortete Noel.
»Ich habe keins geschickt.«
»Das weiß ich inzwischen auch.«
»Was stand in dem Telegramm?«
»Daß du nicht kommen könntest.«
»Sonst nichts?« fragte ich.
»Nicht die geringste Begründung. Das machte mich schließlich doch stutzig. Ich sagte mir, dieses Telegramm könne nicht von meinem guten Freund Tony Ballard stammen, der würde mir doch mitteilen, warum er nicht kommen könne. Ich rief deshalb in London an, und Vicky Bonney sagte mir, was ich hoffte und vermutete: Du wärst abgereist. Ich klemmte mir sofort Fred unter den Arm und raste mit ihm zum Airport, aber die Maschine war schon gelandet. Als wir das Flughafengebäude verließen, sahen wir dich in einem Taxi sitzen und folgten dir. Im Gewühl des Straw Market verloren wir dich aus den Augen. Aber dann bekamen wir mit, daß dich die Kerle mit einem Boot fortbrachten. Wertvolle Zeit verging, bis wir diesen Kahn hier aufgetrieben hatten. Wir rasten hinter euch her. Irgendwann befanden sich deine Kidnapper auf der Rückfahrt - und sie waren nur noch zu zweit, wie wir mit dem Fernglas unschwer erkennen konnten. Wir hofften, daß sie dich mit keiner Kugel über Bord geschossen hatten und suchten das Meer Quadratmeter um Quadratmeter ab, bis wir dich gefunden hatten. Möchtest du wissen, wer mir das verdammte Telegramm zugespielt hat?«
»Wer schon? Professor Kull natürlich.«
»Natürlich«, echote Noel.
***
Es gab auch auf den Bahamas ein Kull-Laboratorium, westlich der Berry Islands, gut getarnt und unterirdisch. Oben drauf stand ein prachtvolles Haus, das einem reichen griechischen Reeder gehörte, und der war ein Strohmann von Mortimer Kull. Seit Jahren tanzte er nach Kulls Pfeife. Dafür vermittelte ihm der Chef der OdS Geschäfte, an die er sonst nie gekommen wäre.
Eine Hand wäscht die andere…
Kull saß in dem Hubschrauber, der die Insel soeben anflog. Er war ein großer, blonder, blauäugiger Mann, elegant angezogen und äußerst seriös wirkend. Aber in seinem genialen Gehirn gab es eine Fehlschaltung, und die war für seinen unersättlichen Machthunger verantwortlich. Um ein gestecktes Ziel zu erreichen, ging er ohne Gewissensbisse über Leichen.
Niemand war davor gefeit, von Kull abserviert zu werden. Nicht einmal seine engsten Mitarbeiter.
Sie saßen alle auf einem gefährlichen Schleudersitz, und Kulls Finger befanden sich immer in der Nähe des Auslöseknopfs. Er brauchte nur auf den Knopf zu drücken, und schon ging es mit dem Betreffenden ab in den Tod.
Noch nie hatte Mortimer Kull gezögert…
Er flog den Helikopter nicht selbst, sondern überließ dies einem erfahrenen OdS-Piloten. Ziemlich tief schwirrte die stählerne Libelle über
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