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0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht

0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht

Titel: 0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Schub gegeben, faßte er wieder Mut. »Wer immer du bist, ich will dich fragen, ob du auch Egon Kraft angerufen hast.«
    »Nein«, sirrte es, »habe ich nicht.«
    »Aber…?« Fink wußte, daß noch etwas nachkam. Er sollte sich nicht getäuscht haben.
    »Ihn habe ich besucht, deinen Freund Egon, und er hat es nicht überstanden. Er lebt nicht mehr. Er ist auf eine Art und Weise gestorben, die allen Menschen, die mit seinem Tod zu tun haben, Rätsel aufgibt.«
    »Wie kam er denn um?«
    »Durch mich…«
    »Wie verdammt?«
    Er hörte ein Lachen und danach die Antwort. »Ich habe ihn leergesaugt. Ich habe ihm seine Kraft genommen. Ich habe ihn schlaff und auch schlapp gemacht.« Ein schrilles, quietschendes Lachen folgte.
    Schlaff und schlapp, dachte Albert Fink. Der Schauer verstärkte sich. Er begriff die beiden Ausdrücke nicht, aber er spürte die tödliche Gefahr, die dahinter lauerte.
    »Du denkst nach?« sirrte die Stimme. Jetzt hörte sie sich an, als würden dünne Metallteile gegeneinander gerieben, und diese Geräusche schmerzten in seinen Ohren.
    »Ich kann nicht mehr denken!« keuchte er, »nicht an diesem frühen Morgen, verdammt.«
    »Du wirst es müssen. Du wirst auch zuhören müssen.«
    »Warum sollte ich das? Ich weiß nicht, wer du bist.«
    Es folgte ein derartig schrilles Lachen, daß Fink Angst um sein Trommelfell bekam. »Du kennst mich, und du wirst mich wieder kennenlernen.«
    »Das ist keine Antwort!«
    »Warte ab.« Die Stimme hatte sich wieder beruhigt, und die Anruferin ließ dem Mann auch eine kurze Erholungspause. Dann war sie wieder da. »Hör mir genau zu. Ich will, daß du deine Wohnung verläßt und anschließend zu…«
    »Ich lege jetzt auf!« schrie er in die Worte der Anruferin hinein.
    »Verdammt, ich werde auflegen, denn ich will einfach nicht. Hast du das gehört? Ich will nicht!«
    »Du mußt aber!«
    »Nichts muß ich!« brüllte er. »Gar nichts!«
    »Doch, Albert!«
    Diese zwei Worte ließen den Mann erschlaffen. Er konnte sich nicht vorstellen, weshalb gerade jetzt sein Widerstand erloschen war. Es mußte am Klang der Stimme gelegen haben, möglicherweise an einem hypnotischen Unterton, denn er wurde ruhig, sehr ruhig sogar und nickte, obwohl es die Anruferin nicht sehen konnte.
    »Was soll ich tun?«
    »Zurück zum Haus X!«
    Genau nach dieser Antwort hätte er eigentlich auflegen müssen.
    Er tat es nicht. Als wäre der Hörer eine Brücke zwischen ihm und dem Verflossenen, so stieg die Vergangenheit wieder vor ihm hoch.
    Er sah die Mauern, die Wände, die Gänge und auch die menschenunwürdigen Zellen, in denen die Gefangenen hausten wie Tiere. Er hörte auch ihre Schreie, ihr Fluchen und ihr Weinen.
    Der blutige Albert hatte sich nie großartig Gedanken darüber gemacht, weshalb man die Frauen und Männer eingesperrt hatte. Für ihn reichte es aus, sie als subversive Kräfte oder Feinde des Sozialismus einzustufen. Gegner des Staates, der vor diesen Elementen geschützt werden mußte. Albert Fink und andere hatten dazu beigetragen, daß dieser Schutz garantiert wurde. Vorschriften hatte man ihnen nicht gemacht. Sie hatten sich ihre Regeln selbst aufgestellt.
    »Hörst du noch?« sirrte die schrille Stimme.
    »Ja, ich habe verstanden.« Fink antwortete mit einer Stimme, die ihm selbst fremd vorgekommen war.
    »Dann hör zu. Du wirst heute noch fahren. Sofort. Die anderen werden auch kommen.«
    »Welche anderen?«
    Die sirrende Stimme klang böse. »Willst du mich auf den Arm nehmen? Deine Kollegen natürlich.«
    Fink mußte schlucken. »Wissen die denn Bescheid?«
    »Ja.«
    »Kommen alle?«
    Lachen. »Nur die wichtigen, mein Freund. Du zählst dazu. Egon Kraft kann nicht mehr kommen, er hat seine Strafe schon gekriegt. Aber ihr anderen werdet kommen.«
    Albert hatte schon wieder feuchte Hände. »Was macht dich denn so sicher? Was ist, wenn ich und die anderen einfach nein sagen. Dann stehst du da und…«
    »Du irrst dich und unterschätzt mich. Wenn ihr ablehnt, werde ich euch holen. Und zwar der Reihe nach. Einer nach dem anderen. Ihr seid vor mir nicht sicher. Ich bin besser und stärker als ihr. Erinnere dich an deinen Chef. Er hat sich ebenfalls überschätzt. Wenn ihr nicht kommt, werde ich euch holen, und zwar der Reihe nach. Einer nach dem anderen wird mir Tribut zollen…«
    Fink schwieg. Er hatte genug gehört. Und er gestand sich selbst ein, daß diese schreckliche Person gefährlicher war als er. Obwohl er sie nicht sah und sie nicht einmal kannte, traute

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