0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht
rundlich. Die pechschwarzen Haare hatte sie gefärbt, sie umrahmten als lockiges Gebilde ihr rundes Gesicht, in dem der kleine, stets sehr rot geschminkte Mund auffiel. »Ich möchte dir das eigentlich nicht sagen, Anni. Ehrlich nicht.«
»Warum nicht?« Ihre Stimme klang wütend. »Steckt eine andere Frau dahinter?«
Der Mann senkte den Kopf und schüttelte ihn. »Nein, nein, das stimmt ganz und gar nicht.«
»Was ist es dann?«
»Es geht um früher.«
»Ach.«
»Ja, um die Zeit, als wir uns noch nicht kannten. Mich hat ein Kumpel angerufen.«
»Das Haus X?«
Er nickte.
Anni atmete scharf ein. »Verdammt noch mal, ich wußte genau, daß dieser Mist irgendwann zurückkehrt. Ich habe dich nicht viel gefragt, und das tat ich aus bestimmten Gründen. Ich wollte auch nie viel wissen, das wenige hat mir schon gereicht. Du und die anderen, ihr wart keine guten Menschen, damals. Ich habe dich geheiratet, ich stehe dazu, aber ich habe immer gewußt, daß es nicht vorbei ist. Die Mühlen mahlen langsam. Erst holen sie die Großen, dann schnappen sie die Kleinen. Du bist nicht daran vorbeigekommen, Albert. Sie haben etwas gemerkt. Sie werden dich dafür bestrafen.«
»So ist es nicht.«
»Wie dann?«
»Ich kann es dir nicht sagen, verdammt noch mal. Aber du mußt mir vertrauen.«
Anni Fink verzog spöttisch die Lippen. »Geht es wieder um diesen Egon Kraft?«
»Nein. Er ist nicht mit dabei, das verspreche ich dir. Aber ich muß weg. Es gibt eben gewisse Dinge, wo ein Mann über seinen eigenen Schatten springen muß und sich nicht wehren kann. Tut mir leid, aber das ist eben so.«
Anni kannte ihren Ehemann. Sie wußte deshalb, daß es einen bestimmten Punkt gab, wo mit ihm über gewisse Dinge nicht mehr zu reden war. Dieser Punkt war nun erreicht. Er hatte sich einmal entschlossen zu fahren, und das würde er auch durchhalten.
»Wann kommst du zurück?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Aber du bleibst über Nacht?«
Albert nickte. »Sieht ganz so aus.« Er hob die Schultern. »Ich kann ja auch nichts dafür, aber es gibt oft im Leben Situationen, wo man nicht absagen kann.« Er beugte sich nach unten, um seine Frau zu küssen, die aber drehte sich zur Seite.
Fink räusperte sich. »Also… ich … ich gehe dann.«
»Ja.« Anni lief auf die Küche zu, öffnete die Tür und verschwand aus Alberts Blick.
Er fluchte, dann verließ er die Wohnung und fragte sich, ob er sie je wiedersehen würde…
***
Zuerst hatte Frau Fink uns die Tür vor der Nase zuschlagen wollen, denn ein männlicher Auftritt zu dritt hatte sie erschreckt, aber Harry Stahl regelte die Sache, indem er erklärte, daß wir von der Polizei waren.
Frau Fink hatte sich trotzdem erschreckt, als wäre ein schlechtes Gewissen hochgekommen. Dann hatte sie genickt, als hätte sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden und wir hatten die Wohnung betreten können.
»Ich habe es geahnt.«
»Was haben Sie geahnt, Frau Fink?« fragte Harry.
Sie schaute auf die schlichte Garderobe und wischte ihre Hände an der Hose ab. Dazu trug sie einen hellen, grobgestrickten Pullover, der ein Zopfmuster zeigte. »Alles habe ich geahnt. Ich wußte, daß es einmal so kommen würde. Ich weiß ja nicht viel. Albert hat mir nie viel über sich erzählt, und so lange sind wir noch nicht verheiratet, aber er war zu früheren Zeiten kein Heiliger, denke ich mal.«
»Da haben Sie recht. Das war er nicht.«
Sie lächelte nur.
»Wo finden wir ihn, Frau Fink?«
Suko und ich hielten uns zurück, die Fragen stellte einzig und allein Harry.
»Vor etwas mehr als einer halben Stünde hätten Sie ihn noch angetroffen, meine Herren. Jetzt ist er weg. Er hat sich zurückgezogen. Er ist plötzlich gefahren und nicht zu seiner Arbeitsstelle.«
»Wohin wollte er?«
Anni Fink hob die Schultern. Ihr Blick bekam dabei etwas Leeres.
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Mir hat er nur erklärt, daß es um früher ginge.«
Wir horchten natürlich auf. Diesmal mischte ich mich ein. »Drehte es sich um das Haus X?«
»Bitte?« Sie sah so aus, als wüßte sie nicht, wovon ich gesprochen hatte, und es war Harry, der eine Erklärung abgab. »Es ist die ehemalige Arbeitsstelle ihres Mannes, dieses Zuchthaus.«
Anni biß sich auf die Lippen. »Zuchthaus«, murmelte sie. »Ja, das traue ich ihm zu. Es muß auch mit seinem Freund Egon Kraft zusammenhängen. Er hat es nicht zugegeben, aber ich kann mir vorstellen, daß der mit von der Partie ist. Albert und Egon haben sich nie aus den Augen
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