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0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht

0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht

Titel: 0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Bewegung. Wie ein Mensch, der im Zeitlupentempo geht, wanderte er voran, den Lauf der Pistole wie einen Sensor vorgestreckt.
    »Wer will mich denn hier besuchen?« Die Stimme klang nicht einmal zu laut, dafür aber schrill, wie überdreht, und dem Mann, der einst der blutige Albert genannt worden war, lief ein Schauder über den Rücken.
    Es lag nicht allein an den Worten, das hier hatte einen anderen Grund gehabt.
    Albert Fink kannte die Stimme. Er erinnerte sich genau. Sie gehörte einer Frau, die ebenfalls in diesem Haus X eine böse Geschichte geschrieben hatte und zu den am meisten gehaßten Personen gehörte.
    Berta Sahler!
    Keine Frau, mehr ein Weib, ein Monster. Eine Person wie ein Ringer mit glatten, fransigen und kurzen Haaren, die immer platt auf ihrem runden Schädel lagen. Von manchen Gefangenen war sie auch mit einem Schwein verglichen worden, was an ihrer Nase gelegen hatte, die ziemlich weit vorstand und relativ große Nasenlöcher hatte. Auch die Lippen und die rosige Gesichtsfarbe erinnerten an eine Schweineschnauze.
    Mit der linken Hand strich Albert Fink seine weißen Haarsträhnen zurück. Er traute sich kaum, eine Frage zu stellen und mußte mehrere Male Luft holen. »Bist du es Berta?«
    »Aber sicher doch.«
    »O Scheiße.«
    Sie lachte wieder. »Warum fluchst du denn, Söhnchen?«
    Fink verzog das Gesicht. Söhnchen, hatte sie gesagt. Es war ihr Lieblingswort gewesen, und sie hatte mit diesem Ausdruck auch alle Zweifel an ihrer Person ausgeräumt.
    »Willst du nicht zu mir kommen, Söhnchen?«
    Fink räusperte sich, sonst hätte er nicht sprechen können. »Okay, ich… ich komme. Bist du Berta Sahler?«
    »Noch immer.«
    »Wo steckst du denn?«
    »Geh drei Zellen weiter, dann kannst du mich sehen. Ich habe es mir auf der Pritsche bequem gemacht. Man muß doch das Beste aus seiner Situation herausholen.« Nach diesen Worten lachte sie meckernd, und Albert Fink machte sich auf einiges gefaßt.
    Drei Zellen weiter, hatte sie gesagt. Das war eine gute Erklärung gewesen, und er ging diesen Weg auch. Normalerweise kein Problem, hier hatte er das Gefühl, als wäre eine unsichtbare Hand dabei, immer genau das Bein festzuhalten, das er vorsetzte.
    Plötzlich kam ihm dieses Haus vor wie ein gewaltiges Grab.
    Wobei er sich eigentlich nur umzudrehen brauchte, um ins Freie zu laufen. Dies wiederum tat er nicht. Er gehorchte den Gesetzen der Neugierde, die ihn vorantrieb.
    Lautlos zählte er die Zellentüren ab. Wie ein kleines Kind, das gerade das Rechnen gelernt hatte. In seinen ebenfalls weißen Augenbrauen hatte sich der Schweiß gesammelt. Wenn er ehrlich gegen sich selbst war, dann fing er bereits an, seine früheren Taten zu bereuen.
    Die zweite Zelle war leer.
    Noch ein langer Schritt oder zwei kleine, dann hatte er die dritte erreicht, in der es still geworden war, denn auch Berta Sahler hielt den Atem an.
    Er legte den Weg zurück.
    Er stand vor dem Gitter.
    Nein, nicht direkt vor der Tür, denn sie war offen und nach innen gedrückt worden.
    So hatte Fink freie Sicht.
    Er schaute hinein und blickte direkt gegen das schmale Fenster über der Pritsche.
    Schwaches Licht fiel hindurch und traf die Frau, die mit angezogenen Beinen auf der Pritsche hockte.
    Eine Frau? Berta Sahler etwa?
    Ja und nein. Vielleicht oder so…
    Die Gedanken im Kopf des Mannes drehten sich wie irre. Denn so etwas wie diese Person auf der Pritsche hatte er noch nie gesehen, und er kam sich vor wie auf dem Jahrmarkt im Kabinett der Kuriositäten oder des Schreckens.
    Was da auf der Pritsche hockte, hatte mit einem Menschen im Prinzip nicht mehr viel zu tun…
    ***
    Albert Fink konnte es nicht glauben. In einem Reflex hatte er die Augen geschlossen, was dieser Person auf der Pritsche überhaupt nicht gefiel, denn sie fauchte ihn an. »He, bist du feige, Söhnchen? Willst du mich etwa nicht mehr anschauen? Denk mal an früher, da hast du mich doch angesehen verdammt. Du bist sogar mal mit mir ins Bett gegangen, obwohl ich mir aus Männern nicht viel mache. Aber damals habe ich mich erbarmt. Bin ich es jetzt nicht mehr wert?« Ihre Stimme hatte einen wütenden und gleichzeitig auch höhnischen Klang bekommen und erreichte den Mann wie ein Befehl, denn er öffnete die Augen.
    Er starrte sie an.
    Zum zweiten Mal.
    Diesmal schloß er die Augen nicht. Er mußte sich diesem Anblick stellen, für den er keine Erklärung oder Beschreibung fand.
    Auf dieser Pritsche hockten zwei Klöße der unterschiedlichsten Größe. Einmal der

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