0858 - Horror-Teenie
hatte einfach einen Teil der Küche abgetrennt, aber die rasch in die Höhe gezogene Wand nie richtig abgedichtet, so daß die Feuchtigkeit sich überall hatte niederschlagen können. Deshalb auch der Schimmel an den Wänden.
Im Haus wohnten mehrere Parteien. Es waren Leute, die von der Hand in den Mund lebten. Streitigkeiten und haßerfüllte Ausbrüche waren in diesen engen Buden an der Tagesordnung. Beinahe jeden zweiten Tag stand die Polizei vor irgendeiner Tür, aber Mandy kümmerte sich nicht darum. Wer lange hier lebte, der gewöhnte sich an das Umfeld.
Mandy Friedman verließ die Wohnung und betrat das Treppenhaus, in dem es eigentlich nie ruhig war. Sie konnte sich zumindest nicht daran erinnern. Irgendwo im Haus gab es immer Streit, dann überstrahlten die lauten Stimmen sogar noch die Geräusche der Fernseher.
Mandy lief die Treppen hinab. Auf dem letzten Absatz hockten zwei Männer und tranken Bier aus der Dose. Sie waren schon angetrunken und kriegten Stielaugen, als sie die junge Frau in ihrer hautengen Lederkleidung sahen.
Um an den beiden vorbeizukommen, mußte Mandy über sie hinwegsteigen, was sie auch tat.
Einer streckte den Arm aus, um ihr zwischen die Beine zu greifen. Mandy war schneller. Ein Tritt erwischte den Mann am Ohr. Der Kerl brüllte und kippte gegen die Wand.
Mandy huschte vorbei. Sie fluchten hinter ihr her, und der andere Typ warf ihr eine halbleere Bierdose ins Kreuz, wobei er sie als Nutte beschimpfte.
Die Frau kümmerte sich nicht darum. Sie lief auf die Haustür zu, öffnete sie und verschwand.
Draußen atmete sie durch.
Es war noch nicht ganz dunkel geworden. Die Nacht hielt sich zurück, aber über London lag ein blaugrauer Himmel, dessen Farben sich miteinander mischten und der deshalb so wirkte, als hätte ein Maler auf einer Leinwand mit dunklen Farben experimentiert.
Die Straße war eng. Dicht an dicht standen die Häuser. Ruhe herrschte hier nie. Im Hafen wurde noch gearbeitet. Dort strahlten die breiten Scheinwerfer und machten die Nacht zum Tag. Sie hörte sie typischen Geräusche, wenn irgendwelche Kräne quietschten oder Ladungen in Containerschiffe polterten.
Dort war ihre Welt.
Da lagen auch die Schuppen und Lagerhallen. Aber auch die alten Speicherhäuser, nicht so groß wie in Hamburg, aber auch durch zahlreiche Gänge und Wege miteinander verbunden. Selbst über Brücken konnte man gehen, und Mandy kannte sich dort einigermaßen aus.
In dieser Nacht mußte sie woanders hin. Die Jeans lagerten in einer aus Fertigteilen rasch errichteten Halle. Die Waren wurden schnell umgeschlagen, in zwei Tagen würden sie nicht mehr dort sein, deshalb mußte sich Mandy beeilen. In dieser Nacht wollte sie alles checken, in der nächsten würde sie ihre Freundinnen zusammenrufen, um sich die Klamotten zu holen.
Den Weg kannte sie im Schlaf. Sie hätte ihn wirklich mit verbundenen Augen gehen können, aber sie hielt die Augen weit offen, denn sie hatte die Warnung nicht vergessen.
Man beobachtete sie. Die andere Bande wollte alles, und das war eben sie.
Mandy stand an der Spitze der Hafen-Katzen. Wer sie aus dem Verkehr zog, hatte gewonnen.
Rasch hatte sie die normale Straße hinter sich gelassen. Es gab eine Abkürzung, die sie kannte. Dazu mußte sie über die Gleise der Hafenbahn gehen, und in dieser Gegend war es wirklich nicht ratsam, sich bei Dunkelheit aufzuhalten.
Nur wenige Lampen brannten. Da sie das Licht auf die Gleise warfen, blieb die Umgebung im Dunkeln.
Hin und wieder lagerten hier auch Fässer oder große Holzstöße. Auf den von der Hauptstrecke abzweigenden Nebengleisen standen Waggons. Jenseits der Schienen ragten die mächtigen Behälter in den Himmel, in denen brennbare Flüssigkeiten gelagert wurden: Öl und Benzin. Von dort führten Pipelines bis direkt an die Docks.
So weit brauchte sie nicht. Außerdem war dieses Gebiet abgetrennt und wurde bewacht. Ihre Geschäfte sahen anders aus. Aber die Gleise mußte Mandy überqueren.
In der Nacht fuhren kaum Züge. Die Güter waren schon tagsüber weggeschafft worden. Nur hin und wieder durchdrang das Rattern die Stille dieser Umgebung.
Mandy kam nicht mehr dazu, die Gleise zu überqueren. Plötzlich waren die beiden Kerle da, und sie wußte sofort, daß sie zu den Kanal-Ratten gehörten.
Sie hatten hinter einem Holzstapel gelauert, und einer von ihnen hatte aus der Deckung hervor seine Waffe geschleudert. Es war eine Bola, ein Fanggerät, wie man es in Südamerika benutzte. Die Kugeln hingen
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