0866 - Die Herrin der Raben
Raben vor Ihnen geflüchtet sind. Wie kann das sein?«
Amber Haggerman zögerte. Sie kramte einen Stift aus der Handtasche und begann, ihre Lippen in grellem Rot nachzuziehen. Die beiden Dämonenjäger beobachteten sie dabei.
»Wissen Sie, Professor, warum ich mich hier mit Ihnen und Ihrer Freundin unterhalte?«, fragte sie plötzlich.
»Hm. Hat es etwas mit meinem Amulett zu tun?« Der Meister des Übersinnlichen hatte Merlins Stern längst wieder unter das Hemd geschoben.
»Exakt. Meine begehrlichen Blicke waren wohl nicht zu übersehen.« Sie kicherte, wurde jedoch mit einem Schlag ernst. »Das Amulett ist ein magischer Gegenstand, und Sie wissen es ganz genau.«
Zamorra nickte.
»Ja. Und deswegen kann ich Ihnen meine Geschichte anvertrauen, ohne befürchten zu müssen, mich lächerlich zu machen. Allerdings«, sie zögerte kurz, »verlange ich, dass Sie mir im Gegenzug etwas über das Amulett erzählen.«
»Gebongt.«
»Gut. Nun, Sie haben tatsächlich richtig beobachtet, Nicole. Die Raben sind vor mir geflüchtet. Sie spüren, was in mir ist.«
»Und was ist das?«
»Etwas Geduld bitte. Nun, ich bin so eine Art moderne Hexenjägerin. Schon seit frühester Jugend besitze ich einen, nun, wie soll ich sagen, zusätzlichen Sinn. Ich nenne ihn das ›Hexenradar‹. Interessant, nicht?«
»Hochinteressant«, erwiderte Zamorra. »Was um alles in der Welt ist ein Hexenradar?«
»Will ich ja gerade erklären, Professor. Wenn es im Umkreis von mehreren hundert Meilen Hexenaktivitäten gibt, spreche ich in Form von Tagträumen darauf an. Vor einer Woche war es wieder so weit. Ich habe gesehen, dass hier in Wien eine Hexe im Begriff ist, zu erwachen.«
»Eine Hexe? Welche denn?«
»Das weiß ich nicht, Nicole. Ich sehe längst nicht alles in meinen Tagträumen, das Hexenradar bleibt manchmal sehr unbestimmt. Immerhin konnte ich sehen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas Schlimmes in diesem furchtbaren Ripper-Haus im Prater passiert.«
Zamorra und Nicole sahen sich an.
»Ich bin hingegangen, um es zu verhindern«, fuhr Amber fort. »Aber ich kam zu spät. Ich konnte nur noch die Leiche fotografieren.«
»Warum das denn?«
Amber Haggerman lächelte. »Ich habe einen hochauflösenden Spezialfilm in meiner Kamera. Damit kann ich die so genannte Kirlian-Aura fotografieren, also das Kraftfeld, das jedes Lebewesen umgibt. Wenn ein solches nun durch einen dämonischen Angriff gestorben ist, verfärbt sich die Aura zu großen Teilen tief schwarz. Mit solchen Fotos kann ich dämonische Attacken also zweifelsfrei nachweisen. Voraussetzung ist, dass ich die Fotos spätestens vier bis fünf Stunden nach dem Ableben machen kann. Dann ist nämlich die Aura ganz weg.«
»Hochinteressant. Sie erweitern unsere Kenntnisse zu diesem Thema ganz ungemein, Amber«, erwiderte der Meister des Ubersinnlichen. »Sagen Sie, kann man die Fotos vielleicht sehen?«
»Natürlich. Hier, bitte.« Sie kramte ein paar Fotos aus ihrer Handtasche. Die gestochen scharfen Bilder zeigten die Leiche der jungen Frau, deren Körperformen von einer durchscheinenden, rosa-, weiß- und blaufarbenen Aura umgeben waren. Ein großer Teil davon war jedoch schwarz.
»Beeindruckend«, sagte Zamorra. »Danke. Nun, Amber, ich verrate Ihnen jetzt, dass ich Sie beim Fotografieren der Leiche beobachtet habe und mich fragte, warum Sie das tun.«
Sie sah ihn aus großen Augen an. »Wie ist das möglich?«
»Ich erzähle es Ihnen später. Eine Frage bleibt nämlich in diesem Zusammenhang noch offen: Als Sie weggingen von der Leiche, folgten Ihnen die Raben auf dem Fuß. Ganz anders als gerade eben.«
Amber schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ich kann mir vorstellen, dass es für Sie so ausgesehen haben muss, Professor, wo immer Sie sich aufgehalten haben. Aber das täuscht. Ich weiß selbst nicht, was passiert ist. Aber als ich losging, hörte ich plötzlich so eine Art leisen Pfiff. Daraufhin flatterten die Raben alle an mir vorbei.«
»Die Hexe?«
»Vielleicht.«
»Und Sie wissen tatsächlich nicht, wer diese geheimnisvolle Hexe ist? Wir wären schon für eine Ahnung dankbar.«
»Wie gesagt, nein. Was ich aber definitiv weiß, ist, dass die Gefahr von den Katakomben des Stephansdoms ausgeht. Die Hexe lauert also quasi unter unseren Füßen. Dort unten liegt der Schlüssel zu allem verborgen.«
»Hm. Und wie pflegen Sie gegen die aufgespürten Hexen zu kämpfen, Amber?«
»Nun«, sie senkte die Stimme, weil eine Gruppe Japaner zwischen die Tische
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