0866 - Rattennacht
Rocks nach unten und prallten zu Boden. Nur für einen Moment blieben sie dort hocken. Sie bewegten sich weiter, als die schon auf dem Boden umherkrabbelnden Ratten von anderen Körpern erwischt wurden, und plötzlich bewegten sich ein halbes Dutzend dieser Tiere in ihrer Nähe.
Die beiden Musikerinnen entdeckten sie zuerst.
Ihre Musik verklang in nachhallenden Mißtönen. Sie blieben schreckensbleich hocken, bis eine von ihnen gellend aufschrie, als sie die Ratten entdeckte.
Eine sprang.
Das Mädchen riß seine Gitarre hoch. Der Tierkörper wuchtete gegen die Saiten, brachte sie zu einem dumpfen Erklingen, fiel wieder zu Boden und suchte sich einen neuen Angriffsplatz.
Nicht alle Ratten waren in der Nähe ihres Herrn und Meisters geblieben. Andere wuselten in den Wagen hinein und wurden dort auch von den übrigen Fahrgästen gesehen.
Panik entstand. Schreie gellten durch den Wagen, als wollten sie die Scheiben und Wände zertrümmern. Die Ratten waren nicht aufzuhalten.
Sie hatten in den Menschen ihre Beute entdeckt. Sie wuchteten vom Boden in die Höhe, sie sprangen die Fahrgäste an, landeten auf Schößen und Schultern, bekamen Schläge mit, als man sie wegdreschen wollte, bissen zu, zerrten an der Kleidung, erwischten auch die Haut und hinterließen kleine, blutige Wunden.
Auch Shao und Suko wurden von den Tieren angegriffen. Shao verteidigte sich, während Suko fieberhaft nach einem Ausweg fahndete und ihn schließlich auch fand.
Bevor sich eine Ratte bei ihm festgebissen hatte, sprang er vor und packte sich den Mann. Absalom hatte damit nicht gerechnet. Er brüllte auf, als Suko seinen Arm herumwuchtete und den Kerl hart in den Polizeigriff nahm.
»So! Ruf sie zurück!«
Absalom keuchte.
Suko verstärkte den Griff noch um eine Idee. Er sah auch, daß Blut aus einer Gesichtshälfte des Mädchens rann. Im Wagen selbst war die Hölle los. Suko dachte auch daran, daß sie die nächste Station bald erreicht haben mußten. Bis dahin wollte er die Lage wieder im Griff haben, und er wiederholte seinen Befehl noch einmal, bevor die Ratten weiteres Unheil anrichten konnten.
Absalom pfiff.
Es war wieder dieses - schrille Geräusch, das aus dem Mundspalt drang, und von den Ratten gehört wurde.
Sie gehorchten.
Sie sprangen zu Boden, sie ließen die Menschen in Ruhe. Sie wieselten auf ihren Herrn und Meister zu. Ihre sich schnell bewegenden Füße hinterließen auf dem Boden ein hartes Trampeln, aber das Schreien und Brüllen der Menschen verstummte nicht.
Suko hielt den Mann noch immer im Griff. Absalom hatte sich weit nach vorn gebeugt. Für einen neutralen Zuschauer mochte es so aussehen, als hielte Suko einen der zahlreichen Pariser Clochards fest, doch einen, der von Ratten umgeben war. Die Tiere sprangen an ihm hoch, sie schlüpften unter seinen Mantel, und im Wagen wurde es deshalb heller, weil die Außenbeleuchtung des Bahnsteigs durch die Fenster drang und den Wagen ausleuchtete.
Auch wer jetzt noch hineinschaute, der sah diese unglaublichen Szenen. Es gab Menschen, die noch auf ihren Plätzen saßen, andere standen, und wieder andere krochen über den Boden zwischen den Sitzreihen. Einige von ihnen bluteten aus Wunden, die Rattenzähne gerissen hatten. Es gab Fahrgäste, die schrieen oder jammerten. Mehrere von ihnen waren aber auch stumm, als hätte man ihnen den Mund verschlossen.
Der Zug stoppte.
Suko wußte, daß es der entscheidende Moment war. Wenn es ihm jetzt nicht gelang, den anderen zu halten, war alles vergebens. Dann konnte er entwischen und abermals seine Ratten auf die Menschen losschicken.
Mit den gleichen Gedanken wie Suko beschäftigte sich auch Absalom. Er brüllte nicht, er bewegte nur seinen Mund, was Suko allerdings nicht sah, den Absalom hielt den Kopf gesenkt. So wurden seine Befehle nur von den Ratten gehört.
Und die sprangen.
Shao hatte nicht damit gerechnet, noch einmal angegriffen zu werden. Urplötzlich aber tauchten die beiden pelzigen Gestalten vor ihr auf und hockten einen Moment später auf ihren Schultern. Sie rahmten ihren Kopf ein, die Mäuler geöffnet, bereit zum Biß, der noch nicht erfolgte, da sie auf den Befehl warteten.
Die Türen öffneten sich.
»Du läßt mich los, oder deine Freundin ist für ihr Leben gezeichnet. Ich hole die Tiere nicht zurück, auch wenn du mir den Arm brechen willst. Dann aber werden die Ratten über alle Menschen herfallen, und die werden einige töten, das schwöre ich dir.«
Was um ihn herum geschah, bekam Suko nicht
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