0878 - Die Schwertlady
jetzt tun sollte. Sicher, sie hatte einmal einen Erste-Hilfe-Kursus mitgemacht, vor vierzehn Jahren, als sie mit dem Baby Rhett und Butler William nach Frankreich ins Château Montagne übergesiedelt war. Aber den größten Teil dessen, was man ihr und den anderen Teilnehmern damals beibrachte, hatte sie längst wieder vergessen, und der kümmerliche Rest - da war ein Blackout. Sie konnte sich in diesem Moment an nichts erinnern.
War da nicht was mit Mund-zu-Mund-Beatmung?
Sie erschrak bei dem Gedanken, mit ihren Lippen seine zu berühren. Trotzdem versuchte sie es. Aber sein Mund blieb geschlossen. Wie sie den aufbekommen sollte, damit sie ihm Luft in die Lungen blasen konnte, wusste sie nicht mehr.
Da war noch irgendwas mit Herzmassage. Sie schlug verzweifelt mit den Fäusten auf seinen Brustkorb, natürlich erfolglos!
»Nein«, keuchte sie. »Nein, nein, stirb nicht! Stirb nicht, Zamorra! Du darfst das doch nicht!«
In diesem Moment traten Rhett und Nicole ein.
»Er stirbt!« Sie schlug wieder auf seine Brust.
»Was soll das denn werden, wenn's fertig ist?«, fragte Rhett kopfschüttelnd.
»Herzmassage«, keuchte sie.
»Was für ein Blödsinn, Mutter! Für eine Herzmassage musst du ihn aufschneiden, die Rippen so weit auseinanderbiegen, bis du hineingreifen und das Herz zwischen die Hände nehmen kannst!«
Patricia erblasste und würgte.
»Halt die Klappe, Junge!«, fuhr Nicole ihn an, setzte den Topf auf einem Tisch ab und trat zum Bett. »Mach mal Platz, Pat!«, verlangte sie und nahm die Sache selbst in die Hand. Immer noch blass sah Patricia zu und schwor sich, unverzüglich einen neuen Kurs aufzusuchen und dabei diesmal wesentlich besser aufzupassen.
Minutenlang kämpfte Nicole um Zamorras Leben, bis sein Herz endlich wieder schlug und er atmete - sogar ein kleines bisschen mehr als vor dem Stillstand.
»So macht man das!«, fuhr Nicole Mutter und Sohn an, und dann, direkt an Rhett gewandt: »Und wenn du noch einmal einen solchen Scheißdreck erzählst, kriegst du dermaßen eine gescheuert, dass du dich im stationären Orbit wiederfindest, Euer Mordschuft - pardon, Lordschaft! Deine Mutter wäre vor Schreck fast gestorben!«
»Aber…«
»Mach den Kopf zu! Schnabeltasse füllen! Und dann denkst du dir was aus, wie der Topf auf Temperatur gehalten werden kann.«
Stumm füllte Rhett die Tasse und gab sie an Nicole weiter. Die nickte Patricia zu. »Pat, kannst du ihn bitte etwas aufrichten? Im Liegen trinkt es sich schlecht.«
Die Lady nickte und fasste zu. Wenigstens hier konnte sie nichts falsch machen. Sie stopfte Zamorra zusätzlich ein zweites Kissen gefaltet unter den Rücken. Dann flößte Nicole ihm den Zaubertrank ein und zwang ihn zum Schlucken.
Nach der dritten Tasse legte sie eine kleine Pause ein. Das war die normale Dosis, um totale Erschöpfung wieder auszugleichen. Aber in diesem Fall war es besonders schlimm, so schlimm wie noch nie. Deshalb hatte Nicole extra eine weit größere Menge des Trankes zubereitet. Nach einer Weile ließ sie die nächsten drei Tassen folgen.
Reichte das aus?
Nach noch mal zehn Minuten gab's einen Nachschlag von zwei weiteren Tassen. Jetzt war der Topf fast leer.
»Wird er es schaffen?«, fragte Patricia.
Nicole zuckte mit den Schultern. »Es kann nur besser werden. Oder, wie der Chirurg sagt: Es kann nur Messer werden…«
Die Schottin verzog das Gesicht. Makabre Sprüche dieser Art in solchen Situationen mochte sie gar nicht. Aber sie sagte nichts mehr dazu.
Nicole lächelte ihr und Rhett aufmunternd zu.
Und das Harren und Hoffen begann.
***
Nach einer Weile zog Patricia sich in ihr Zimmer zurück. Sie ließ sich aufs Bett fallen und starrte gegen die Zimmerdecke. Ihre Gedanken kreisten um ihr Versagen bei dem Versuch, Erste Hilfe zu leisten. Das hätte niemals passieren dürfen. Sie wagte sich gar nicht vorzustellen, was passiert wäre, wenn sie allein gewesen wäre und Rhett an Zamorras Stelle da gelegen hätte. Mit ziemlicher Sicherheit wäre er jetzt schon tot.
Nicole dagegen hatte sofort gewusst, was zu tun war.
Viele Stunden lang lag Patricia da und konnte nicht einschlafen. Sie wünschte, jemand wäre da, mit dem sie darüber reden konnte. Aber sie blieb allein. Es kam ihr vor, als wolle man sie damit für ihr Versagen bestrafen. Nicht einmal Rhett ließ sich sehen. Er blieb nebenan, um Nicole notfalls helfen zu können. Allerdings schien sie keine Hilfe zu benötigen.
»Wirst du eigentlich überhaupt nicht müde, hungrig oder
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