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088 - Die Alpträume des Mr. Clint

088 - Die Alpträume des Mr. Clint

Titel: 088 - Die Alpträume des Mr. Clint Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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Bücherregalen stehen
viele Kunstbücher. Darunter auch einige, die ich von meinem Vater geerbt habe.
Als ich sie durchblätterte, habe ich Aufnahmen von Statuen und Skulpturen
gesehen, die ein gewisser Lachlan Moodor-Clint gemacht haben soll.«
    »Ein gewisser
Lachlan Moodor-Clint! Er war ein Genie, ein Phänomen, Miß Ulbrandson!«
    Er fuchtelte
wie ein in Rage geratener Zwerg mit den Händen in der Luft herum. Auch seine
Beine zuckten. Und auf irgendeine Weise wurde Morna an Rumpelstilzchen
erinnert.
    »Wenn Sie
Bücher haben, in denen Arbeiten von Moodor abgebildet sind, gehören Sie zu den
wenigen Menschen, die sich glücklich schätzen können, so etwas ihr eigen zu
nennen. In vielen Werken wird zwar auch heute Moodor noch erwähnt und
angeführt, aber es existieren kaum noch Reproduktionen seiner Arbeiten. Die
befinden sich hinter verschlossenen Türen.«
    »Sie waren
befreundet mit ihm?«
    »Warum waren?«
Er atmete tief durch. »Fünfundzwanzig Jahre lang haben wir gemeinsam die Welt
durchstreift. Wir haben ganz Europa gesehen, waren in Afrika, im Fernen Osten.
Obwohl wir im gleichen Land groß geworden waren, nämlich hier im Hochland,
lernten wir uns erst durch einen Zufall in einer Künstlerklause in Glasgow
kennen. Ich habe gemalt, Moodor-Clint war bildhauerisch tätig. Besonders seine
kleinen Skulpturen waren von eigenartigem, faszinierendem Reiz. Haben Sie
jemals eine solche Figur im Original gesehen?«
    »Leider nein.«
    »Moment
bitte!« Alex Dinsdale erhob sich, kramte ein paar Kissen und Decken beiseite,
nahm das Kopfteil seines Bettes herunter, und zum Vorschein kam eine massive
Truhe. Er hob den Deckel an. Deutlich zeichneten sich seine Muskeln unter dem
blaurot karierten Hemd ab. Seine Körperkräfte waren noch beachtlich.
    Von ihrem
Platz aus konnte Morna in die Truhe sehen. Sie war mit Holzwolle gefüllt. Und
darin, vor Bruch geschützt, lagen eine Anzahl von großen, bis zu fünfzig und
siebzig Zentimetern großen Figuren.
    Alex Dinsdale
nahm vorsichtig eine heraus. Es war eine Holzarbeit, fein und ausdrucksvoll
gearbeitet. Dargestellt wurde eine ältere Frau, die Haltung gebückt, den Blick
in eine ungewisse Ferne gerichtet. Die alten, ausgedorrten Hände hielten einen
Stock umfaßt.
    Etwas spürbar
Lebendiges, etwas, was einen persönlich berührte, ging von dieser Figur aus.
    Alex Dinsdale
stellte sie wie eine Kostbarkeit auf den Tisch.
    »Eine sehr
frühe Arbeit von ihm«, sagte er leise. »Er wollte das Leben einfangen, wie er
immer sagte. Er hat Hunderte seiner Arbeiten mit eigener Hand vernichtet, weil
sie dieser Forderung nicht gerecht wurden. Er arbeitete zwischen seinem
dreißigsten und vierzigsten Lebensjahr wie ein Besessener. Doch nur selten war
er mit seiner Leistung zufrieden. Ich konnte einige seiner Arbeiten seinerzeit
retten, die er vernichten wollte oder glaubte, sie vernichtet gehabt zu haben.
Dazu gehört die alte Bäuerin.«
    Morna erhob
sich und betrachtete die etwa fünfzig Zentimeter hohe Holzfigur eingehend.
    Etwas
Zwingendes ging von der Figur aus. Wenn man längere Zeit auf einen Punkt
starrte, bekam man das Gefühl nicht los, als würde sie sich in der dunstigen
Luft des Raumes bewegen und atmen.
    Morna bekam
einige weitere Kostbarkeiten von Lachlan Moodor zu sehen.
    Da gab es die
Darstellung einer gebärenden Frau, auf deren Gesicht Moodor Freude und Schmerz
gleichermaßen eingefangen hatte. Dann die Figur des Monsieur X, einer Person,
die Moodor in Paris getroffen hatte. Ein fetter Mann, mit einem kugeligen Bauch
und einem verschlagenen Gesicht. Monsieur X besaß Geld, Einfluß und war
erfolgreich bei den Frauen.
    Nicht wegen
seines Charmes, den er sichtlich nie besessen hatte, sondern ausschließlich
wegen seines Geldes. Am meisten aber wurden ihre Sinne von der Darstellung des
ersten Menschenpaares, Adam und Eva, gefangengenommen.
    Alex Dinsdale
behandelte die Statue, die aussah, als wäre sie aus einem Guß gefertigt worden,
wie ein rohes Ei. »Es ist sein erster Versuch, mit Erde, mit Lehm zu arbeiten.
Er sagte zu mir: ›Alex, Gott hat Adam aus Erde gemacht. Ich will das auch
versuchen. Dann mußt nur du mir noch das Geheimnis verraten, wie ich ihm die
Seele einhauchen soll?‹ Überhaupt war das ein Problem, das seinen Geist
verwirrt haben muß. Er wollte nur noch Skulpturen aus Erde formen und beweisen,
daß er das nachvollziehen konnte, was einst der Schöpfer beim Menschen getan
hatte. Er war vermessen! Immer feiner, einfühlender wurde er. Aber was

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