0883 - Labyrinth der Kugelhöhlen
unser Glaube. Sie hausten im Bauch der Welt, bis sie vor ewigen Zeiten nach oben stiegen, um das Volk zu erschaffen. Als dann alles zu ihrer Zufriedenheit war, stiegen sie in die Höhe, wurden zu leuchtenden Kugeln, die in jeder Nacht auf ihre Kinder vom Himmel aus schauten.«
Vinca unterbrach sich für wenige Augenblicke, ließ das Gesagte auf seine Zuhörer wirken.
»Soweit die Mythologie. Ihren Ursprung hat sie in den kugelförmigen Höhlen, die es in Paroms Tiefen gibt. Viele sind miteinander verbunden, die meisten noch unerforscht. Als die steinerne Seuche Parom zu erwürgen begann, sind viele aus meinem Volk in die sogenannten Götterkugeln geflohen. Ein furchtbarer Fehler, denn die Stadt überzog die Eingänge rasch… dort unten haben unzählige Paromer einen grausamen Tod gefunden. Aber die Höhlen existieren, und wir können durch sie vielleicht in das Stadtzentrum gelangen. Von unten her! Doch dazu brauchen wir deine Hilfe, Zamorra. Deine Erfahrung, deine magische Kraft. Bitte, hilf mir… mir und Lakir.«
***
»Das ist aber lieb von dir. Willst du mir eine Überraschung bereiten, Kleiner?«
Peavey zuckte zusammen… vor Schreck fielen ihm die drei Gabeln aus der Hand, die er mit wahrer Inbrunst gerade polierte. Es klang wie kleine Explosionen, als sie in die Stille hinein auf den Boden knallten. Peavey wirbelte zur Tür herum. Was er dort sah, verschlug ihm den Atem.
Kinny Hang stand dort in der geöffneten Tür, die sie sanft und lautlos hinter sich zu drückte. Sie trug noch immer dieses atemberaubende Kleid - roter und schwarzer Brokat, an den Beinen weit hinauf bis zu den Oberschenkeln geschlitzt… und dann dieser Ausschnitt, dieses Dekollete, das viel ahnen ließ. Über dem Brustansatz war es mit schwarzer Kordel geschnürt, ganz so wie bei seinen Turnschuhen, fand Peavey.
Und ihm fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als er sah, dass Kinny diese Kordel weit geöffnet hatte! Sehr weit! Irgendwie bekam er plötzlich ganz schlecht Luft, und seine Brille, die ihm bei den Kindern den Spitznamen Puck, die Stubenfliege eingebracht hatte, beschlug heftig. Rasch zupfte er sie sich von der Nase, begann hektisch mit der Reinigung. Viel konnte er ohne die Sehhilfe wirklich nicht erkennen. Als er sie wieder aufsetzte, machte er einen erschrockenen Schritt nach hinten - schmerzhaft schlug die Küchenplatte gegen seinen verlängerten Rücken.
Sie stand direkt vor ihm… so richtig nahe! Peavey konnte den Körper der schönen Frau riechen, seine Wärme fühlen. Der Schweiß schoss aus all seinen Poren. Wie sehr hatte er sich immer gewünscht, einmal einer tollen Frau so nahe zu kommen. Und jetzt, als es geschah, wäre er am liebsten schreiend davongelaufen. Doch das ging nicht, denn Kinny Hang drängte sich noch näher an ihn.
»Habe ich hier etwa einen kleinen Verehrer? Das gefällt mir sehr… aber schau einmal.« Ihr rechter Oberschenkel rieb aufreizend langsam über den seinen hinweg. Peavey wurde schwindelig. Er wusste genau, was geschehen musste, wenn er sich so aufregte. Nur das nicht… diese Peinlichkeit hätte er nicht ertragen. Kinny Hang lächelte wissend. Ihre rechte Hand griff an Peavey vorbei, fasste zwei der Küchenmesser, die dort zum Polieren bereitlagen.
»Das sollen Messer sein?« Sie hielt die Klingen direkt vor Peaveys Nase. »Was kann man damit schon schneiden? Gemüse vielleicht, aber sicher kein ordentliches Stück Fleisch.«
Peavey verstand nicht, was Kinny damit sagen wollte. Natürlich waren die Messer nicht sonderlich scharf - das sollten sie ja auch überhaupt nicht, denn sonst hätten die Kinder sich damit ja böse verletzen können.
Er sah die blitzschnelle Bewegung ihrer Hand überhaupt nicht, mit der sie eines der Messer über seine Wange streichen ließ. Peavey spürte einen kleinen Schmerz, kaum der Rede wert, doch dann lief etwas Warmes über sein Gesicht.
Blut? Sein Blut?
Kinny ließ ihm keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Ihr Gesicht war nun nur noch Zentimeter von seinem entfernt. Dann glitt die Zunge der schönen Frau über seine Wange… leckte genüsslich das winzige Rinnsal auf, die feine Blutspur, die aus der Schnittwunde lief. Peavey erschauerte. In seine Erregung, die er kaum noch beherrschte, mischte sich Angst… ganz leise zunächst, doch sie wuchs mit jedem Herzschlag.
Die so drängende Nähe zu dieser begehrenswerten Frau lähmte Peavey, schaltete seinen eigenen Willen nahezu aus. Selbst der Fluchtinstinkt, dem er in seinem Leben so oft
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