0883 - Labyrinth der Kugelhöhlen
ausgeführt; es war um einen Glassplitter gegangen, mit dessen Hilfe Morano glaubte, eine der mächtigsten magischen Insignien beherrschen zu können. Das hatte sich am Ende dann als Trugschluss erwiesen, doch geblieben war der Hass, den die Anführerin der Raubvampire auf van Zant projizierte.
Nun war sie auf dem Plan erschienen - und ihre Rachegelüste schienen unermesslich groß zu sein. Sinje-Li hatte nur geflüstert, als sie mit Peavey sprach, doch in der nächtlichen Stille war das durchaus laut genug, um Rola jedes Wort verstehen zu lassen.
Sinje-Li wollte den Physiker leiden sehen. Erst dann sollte er ihr Opfer werden.
Es bedurfte keiner großen Fantasie, um zu erraten, was die Blutsaugerin in dieser Nacht vorhatte. Rola wusste, dass jetzt jede Sekunde, jeder Augenblick zählte. Sie musste handeln, die anderen alarmieren, schnell… doch ihre Beine spielten da nicht mit. Es kam ihr vor, als wäre sie mit dem Boden verankert. Hinter ihr - in der Küche - hielt Sinje-Li ihr erstes Mahl in dieser Nacht.
Es würde nicht dabei bleiben! Rola ballte die Hände zu Fäusten, so intensiv, dass ihre langen Fingernägel sich in das Fleisch ihrer Handballen bohrten. Vielleicht war es dieser kleine Schmerz, der sie aus ihrem Bann löste? Das spielte letztendlich keine Rolle.
Wichtig war nur, dass sie handlungsfähig wurde - von einer Sekunde zur anderen.
Vorsicht… und kein Geräusch machen…
Rola DiBurn stieß sich wie in Zeitlupe von der Wand ab. Rasch orientierte sie sich. Die Zimmer der Kinder lagen von ihr aus gesehen im rechten Flügel der alten Villa, die der Erzieherinnen direkt davor. In der anderen Richtung fand man die Schul- und Spielräume, die kleine Bibliothek, die große Turnhalle und die Zimmer, die nun einmal für eine ordentliche Verwaltung vonnöten waren. Im Keller wurde all das gelagert, was sich im Lauf der Zeit angesammelt hatte und nicht täglich in Gebrauch war. Der Dachstuhl war ebenfalls ausgebaut, doch dort hatte Rola noch keinen Blick hinein geworfen.
Die einzige logische Lösung hieß Flucht - Evakuierung! Wie das jedoch mit 41 schlaftrunkenen Kindern durchzuführen sein mochte, konnte Rola sich kaum vorstellen. Immer wieder blickte sie ängstlich nach hinten, doch Sinje-Li hatte ihren unseligen Durst noch nicht ausreichend gestillt.
Vor der Tür zu Millisan Tülls Zimmer verharrte die junge Frau für eine Sekunde. Sie musste nicht nur schnell, sondern auch sehr überzeugend sein, wenn sie ein Desaster noch verhindern wollte. Ohne zu klopfen drückte sie die Klinke nach unten…
***
Die Ankunft auf Parom verlief unspektakulär.
Vinca von Parom hatte den Verbund der beiden Speere geführt, und so war eine chaotische Notlandung ausgeblieben. Artimus war sichtlich froh, sich dem erfahrenen Krieger einfach nur anschließen zu müssen.
Bevor sich die beiden Krieger mitsamt dem Parapsychologen in den Fluss der Speere begeben hatten, war Artimus mit besorgter Mine zu Nicole getreten, die sich an der Aktion nicht beteiligen wollte - ihr blieb die Aufgabe, den Kontakt zu Laertes irgendwie herzustellen, denn möglicherweise war seine Präsenz auf Parom am Ende ja entscheidend. Eine schwierige Aufgabe, denn wenn der Uskuge nicht gefunden werden wollte, dann wurde dies zu einem nahezu unmöglichen Unterfangen.
Doch van Zant hatte etwas anderes auf der Seele. »Ich werde seit geraumer Zeit das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Irgendwer… oder irgendetwas… lässt seine Augen nicht von mir.«
»An wen denkst du?« Nicole war überrascht.
Van Zant wiegte den Kopf hin und her. Was sollte er antworten, wenn er selbst im Dunkeln tappte? »Keine Ahnung, aber ich mache mir natürlich Sorgen um…«
»Rola DiBurn.« Nicole lächelte den Freund an. Sie konnte ihn gut verstehen, denn in Sachen Lebensgefährtinnen war der Südstaatler sicher alles andere als ein Glückspilz.
Er nickte. »Ja, und um no tears - wenn mich jemand treffen will, dann wären das die besten Ansatzpunkte. Aber ich kann nicht ständig vor Ort sein. Hier…« Er drückte Nicole sein Handy in die Hände. »Wenn etwas passiert, dann wird man mich so zu kontaktieren versuchen. Du bist schnell, du bist kampferfahren… du kannst Entscheidungen treffen. Tust du das für mich?«
Die Frage war überflüssig - absolut überflüssig, denn Nicole würde einen Freund niemals abweisen.
Von der einstigen Schönheit der Welt Parom, die Vinca in blumenreichen Worten zu beschreiben wusste, war nichts mehr übrig geblieben.
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