0883 - Labyrinth der Kugelhöhlen
niemals darunter leiden zu lassen. Viel konnten sie nicht tun, doch sie schworen sich, kein dunkles Wesen an ihre Schützlinge heranzulassen. Dieser Schwur lief jetzt Gefahr, nicht eingehalten zu werden.
Rola DiBurn bewunderte Manja, denn die schaffte es in nur wenigen Minuten, 41 schlaftrunkene Kinder ohne großen Aufstand in einem großen Raum zu versammeln. Rola bemerkte den schweren Türriegel erst, als Manja ihn bediente. Dieses leerstehende Zimmer war der Notraum , wie Manja und Millisan ihn getauft hatten. Rola sah sich um.
Die Fenster waren mit Vorhängen abgedunkelt worden. Vorhänge, auf denen Rola seltsam verschwommene Zeichen erkannte. Irgendwer hatte auf den dunkelblauen Stoff mit Kreide Symbole gezeichnet. Mehr noch - diese und ähnliche Sinnbilder fanden sich auch an den Wänden, der Decke und dem Boden wieder. So langsam begriff Rola. Die Frauen hatten sich dem Studium der weißen Magie hingegeben. Das hatte etwas Rührendes, fand Rola, doch ob diese Schutzmagie irgendeine Wirkung gegen den Vampir zeigen würde, wagte sie zu bezweifeln.
Die Kinder zuckten erschrocken zusammen, als plötzlich an der Tür geklopft wurde. Dreimal lang, zweimal kurz, dreimal lang. Mar ja entfernte den Riegel, ließ Millisan Tull in den Raum. Blitzschnell erneuerten die beiden Erzieherinnen die Türsicherung.
Millisan machte einen niedergeschlagenen Eindruck. »Die Türen sind alle versperrt, wahrscheinlich durch die Vampirin. Die Telefonleitung ist tot. Wir sitzen in der Falle.«
Mar ja und Rola hatten im gleichen Augenblick die exakt gleiche Idee, die ja auch nur naheliegend schien. Beide zückten ihre Handys… um Momente später ebenfalls zu resignieren. Das gesamte Gebäude schien eine tote Zone für Mobiltelefone zu sein.
Mar ja steckte ihr Handy zurück in die Tasche. »Sie hat an alles gedacht, keine Frage. Wozu sind solche Wesen eigentlich fähig?«
»Zu allem.« Rola DiBurn gab die knappe Antwort. Ihr Blick löste sich nicht von dem Handy, das van Zant ihr vor nur wenigen Tagen gegeben hatte. Er hatte es ihr nicht einfach in die Hand gedrückt, sondern eine regelrechte Vorlesung dazu abgehalten. Dieses Modell war bei Tendyke Industries entwickelt worden - vornehmlich von Artimus selbst. Entsprechend verfügte es über Fähigkeiten, von denen andere Handys nur träumen konnten.
Rola war ehrlich… besonders aufmerksam hatte sie ihm nicht zugehört. Telefonieren, SMS versenden - mehr wollte sie nicht, mehr brauchte sie ganz einfach nicht. Selbst Kalenderfunktion oder Weckruf hatte sie auch früher nie genutzt, so wenig wie die meist vorhandenen Kameras… was sollte sie mit pixelnden Bildern denn wohl auch anfangen? Sie besaß ja nicht einmal einen Computer, auf dem sie Fotos in Ruhe betrachten und archivieren konnte.
Jetzt verfluchte sie ihre Albernheit, denn während Artimus sich Mühe gegeben hatte, ihr das Gerät eindringlich zu erläutern, hatte sie versucht, den Physiker aus dem Konzept zu bringen; er sollte sich mit ihr befassen, nicht mit so einem Ding.
Unschlüssig drehte und wendete sie das Handy hin und her. Was war das noch gleich gewesen?
»Und wenn du hier und hier drückst, dann öffnet sich eine Art zweite Tastatur Details sind jetzt zu kompliziert, aber… hör zu Rola! In größter Gefahr kannst du einen Ruf absetzen, der…«
Sie hätte sich selbst schlagen mögen… wo musste sie drücken? Was für ein Ruf sollte das sein? Etwas lenkte sie plötzlich ab. Irgendwer zupfte an ihrem Hosenbein. Rola blickte nach unten - es war der kleine Serhat, der sich aus der ängstlich zusammengerückten Truppe der Kinder nach vorne getreten war. Rola ging in die Hocke.
»Was ist los, mein Süßer. Hast du Angst?«
Serhat blickte sie aus seinen schwarzen Augen an. Der kleine Junge, der aus der Türkei stammte, war den Erzieherinnen von no tears nach wie vor ein Rätsel. War er autistisch? Oder war es nur der Schock, den er durchlebt hatte, als seine Eltern vor seinen Augen ermordet wurden? Klar war nur, dass der Junge ab und an Fähigkeiten aufblitzen ließ, die mehr als ungewöhnlich waren.
»Sie kommt. Die Zeichen werden sie nicht aufhalten. Sie will uns alle töten.«
Serhats Stimme war nur ein Flüstern, das zum Glück nur von den drei Frauen verstanden wurde. Eine Panik unter den Kindern wäre sicher einer Katastrophe gleichgekommen. Rola drückte den Jungen fest an sich.
»Keine Angst, euch tut niemand etwas. Das verspreche ich dir.« Sie wusste, dass sie gelogen hatte, doch welche Wahl
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