0893 - Der Atem des Bösen
den Griff«, hatte er Zamorra versprochen. »Die Jungs in den Labors sind echte Könner. Was die nicht schon alles ausgeknobelt haben…«
Für Zamorra, der längst seine eigenen Analyseversuche hinter sich hatte - via Merlins Stern aber erbärmlich gescheitert war, auch nur den geringsten Ansatzpunkt zu finden, um Nicole helfen zu können, war das keine Beruhigung. Er wusste, dass hier übernatürliche Kräfte am Werk waren - sein Amulett reagierte fraglos; nur tat es dies in ungewohnt inforrnationskarger Weise -, aber er war nicht in der Lage, die Art der Magie, die hier wirkte, zu erfassen. Zu verstehen. Geschweige denn, sie zu bekämpfen.
So hilflos hatte er sich selten gefühlt.
Er hatte Nicole ins Great Ormond Street Hospital verfrachten lassen, das einen ausgezeichneten Ruf genoss. Und seither bemühte sich ein ganzer Ärztestab darum, sie von dem öligen Film als unmittelbarem Ausdruck ihres Zustands zu befreien, aber auch der Ursache selbst beizukommen. Wozu nötig war, diese Ursache erst einmal zu finden - auf ganz pragmatischer, magieloser Ebene, wie es Medizinern nicht verübelt werden konnte.
Zamorra erhoffte sich aber gerade von dieser »anderen Vorgehensweise« einen möglichen Fortschritt. Wenn seine eigenen Mittel versagten, musste er an die konventionelle Behandlung glauben.
Gleich nach ihrer Einlieferung hatte man versucht, Nicole in einer Speziallösung zu baden und von ihrem »Schweiß« zu befreien. Ohne den geringsten Erfolg. Im Badewasser hatte sich nicht der Hauch eines Bestandteils ihres grünlichen Films finden lassen, alles Schrubben hatte nichts genützt. Danach hatte man sie mit Zamorras Zustimmung einer Kernspin-Tomographie unterzogen - ebenfalls ohne greifbaren Befund. Und seither ruhte sie hier, während die Ärzteschaft die weitere Vorgehensweise diskutierte, ihr zugleich aber eine Erholung zubilligen wollte, zumal ihre sämtlichen relevanten Werte stabil, um nicht zu sagen normal waren.
Normal war nur nicht, dass sie »grün schwitzte« und nicht aufwachen wollte.
Und unstrittig war zudem, dass dem öligen Film ein Halluzinogen unbekannter Art anhaftete, das in schwacher Form sogar über seinen kaum wahrnehmbaren süßlichen Geruch wirksam wurde - ohne jeglichen Hautkontakt.
Alle Ärzte und das eingebundene Pflegepersonal konnten höchstens eine Stunde in ihrer Nähe weilen, ehe sie abgelöst werden mussten, weil sich ihre Sinne mehr und mehr verwirrten und sie sich zu unberechenbaren Taten hinreißen ließen… einer hatte sich eine leere Spritze geschnappt und in die Brust gestoßen, dabei zum Glück aber das Herz verfehlt. Nun lag er selbst auf der Station…
All das unterlag strengster Geheimhaltung, vom Yard verordnet. Zamorra, der aus irgendeinem Grund weitestgehend immun gegen das Halluzinogen zu sein schien, hatte gewusst, warum er sich für dieses Hospital entschied. Hier tauchten schon mal Adel oder Prominenz ab, um sich diskret behandeln zu lassen.
Er verabschiedete sich mit einem langen innigen Blick von Nicole. Hier wurde alles Menschenmögliche für sie getan - für das andere, das darüber hinausging, war er zuständig. Und das konnte er nicht von hier aus in Angriff nehmen. Er musste zurück ins Tate, wo die Wurzel des Übels lag. Aber zuvor musste er zurück ins Hotel, um an seinen Laptop zu kommen und -Zamorra war auf den Gang getreten. Vor dem Zimmer war ein Beamter des Yard postiert. Er saß auf einem Stuhl und las Zeitung. Er war es nicht, der Zamorras Gedankenkette unterbrach. Aber vom Ende des Flurs her kam Hogarth im Eilschritt auf ihn zu, und seine Miene verhieß nichts Gutes.
***
Der Detective wirkte lädierter als Zamorra, der wenigstens ein paar Stunden Schlaf auf der Habenseite verbuchen konnte; Hogarth hingegen musste sich auch den Rest der Nacht um die Ohren geschlagen haben, um alle erforderlichen Maßnahmen einzuleiten, mit seinen vorgesetzten Stellen zu sprechen - die erst einmal erreicht werden wollten - und was sonst noch nötig war, um einen Apparat wie das Scotland Yard hochfahren zu lassen.
»Wie geht es Ihrer Freundin?«, fragte er und reichte Zamorra die Hand, während er dem Posten auf dem Flur zunickte.
Zamorra informierte ihn knapp über die kaum veränderte Lage.
Hogarth nickte unfroh. Seine Stirn lag in strengen Falten. Die Ringe um seine Augen belegten den Schlafmangel, unter dem er litt; aber er leistete sich keine Auszeit, dazu war er zu sehr Profi. Zamorra gefiel der Mann, den er von keinem seiner früheren Aufenthalte
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