0909 - Das Opfer
den Platz des Chauffeurs eingenommen, und ein anderen Mann, einen kleinen, stiernackigen Typ mit streichholzkurzen und strichdünnen Haaren, weggeschickt. Der Mann sollte Janes Golf wegfahren, in dessen Zündschloß der Schlüssel noch steckte. Anschließend würde er auch die Umleitungsschilder wieder wegräumen, die Jane in die Falle geleitet hatten.
»Du kannst losfahren, Raki!« sagte der Mann neben Jane, der sie nach dem Einsteigen kaum noch angeschaut hatte. Seine Stimme hatte volltönend, melodisch und angenehm geklungen und hätte sogar gut zu einem Radiosprecher gepaßt. Vom Typ her war er ein Macher.
Jane hatte sich ihm zugewandt und mit raschem Blick sein Outfit taxiert.
Abgesehen von dem eleganten grauen Anzug mit den feinen Nadelstreifen, dem weißen Hemd, der dezent gemusterten Krawatte, erinnerte er an einen Löwen. Es lag wohl an seinen graublonden Haaren, die tatsächlich so etwas wie ein Mähne bildeten.
Jane sah den Mann im Profil. Eine kräftige Nase, buschige Brauen in derselben Farbe wie das Haar, ein ausgeprägtes Kinn, ein übergroßes Ohr, aus dem buschige Härchen wuchsen, und kräftige Hände, die wie zum Gebet gefaltet waren und auf den Oberschenkeln des Mannes zusammenlagen.
»Genug gesehen, Miß Collins?«
»Ja, für den Anfang reicht es.«
»Sehr schön.«
Sie fuhren bereits, es war kaum zu spüren, denn der schwere Mercedes schien über die Straße zu schweben, so leicht ließ er sich lenken und fahren.
»Da Sie mich schon kennen, Mister, würde ich auch gern den Namen derjenigen Person erfahren, die mich auf eine so perfide und hinterlistige Art und Weise entführt hat.«
»Ahhh - Miß Collins, nehmen Sie es nicht so persönlich. Ungewöhnliche Vorgänge erfordern eben ungewöhnliche Maßnahmen. Das sollten Sie selbst am besten wissen.«
»Ihren Namen kenne ich trotzdem nicht.«
»Stimmt. Ich will Ihre Neugierde befriedigen. Ich heiße Sir Walter Kendrake.«
Jane Collins schwieg. Ziemlich lange, was den Mann an ihrer Seite wunderte. »Warum sagen Sie nichts!«
»Ich denke nach.«
»Über was?«
»Über Ihren Namen, Mr. Kendrake.«
Er lächelte breit. »Sollte es möglich sein, daß Sie ihn schon einmal gehört haben?«
»Wahrscheinlich.«
»Mehr haben Sie nicht zu sagen?«
»Doch, Mr. Kendrake. Ich möchte Sie fragen, ob Sie der Sir Walter Kendrake sind?«
Er hob die Hände und ließ sie wieder sinken. »Da müßten Sie schon mit Details aufwarten können.«
»Würden Sie sich selbst als einen Geschäftsmann bezeichnen?«
»Richtig.«
»Auch als Nachrichtenhändler?«
»Das gefällt mir noch besser.«
»Auch der Begriff Waffenhändler?«
Jane hatte bewußt provozieren wollen, was Kendrake aber nicht zuließ. Er gab eine sachlich klingende Antwort. »Ich bin ein wenig enttäusch von Ihnen, Miß Collins.«
»Weshalb?«
»Nun, ich hätte Ihnen nicht zugetraut, daß Sie allgemeine Vorurteile übernehmen.«
Die Detektivin lachte. »Ist es denn ein Vorurteil, wenn ich Sie als Waffenhändler bezeichne. Schließlich ist oft genug über Sie berichtet worden, und wenn ich mich nicht täusche, kenne ich Ihr Gesicht auch vom Bildschirm her. Sie sind zu einer öffentlichen Person geworden, Mr. Kendrake, auch wenn Ihnen selbst das nicht gefallen mag.«
»Da stimme ich Ihnen zu. In der letzten Zeit sind tatsächlich einige Reporter wie die Hyänen über mich hergefallen. Man suchte wohl einen Sündenbock.«
»Für was?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie auch Waffen in gewisse Krisengebiete geschafft. Wie man zudem hören kann, haben Sie auch beim Golfkrieg kräftig verdient.«
Kendrake senkte den Kopf. Für einen Moment saß er da wie ein armer Sünder. Dann hob er den Blick wieder an. »Von meinen guten Beziehungen in alle Welt redet wohl niemand. Daß mich sogar die Regierung offiziell konsultiert hat, wenn es um diffizile und schwierige Verhandlungen ging, ist in den Medien unterschlagen worden. Ich finde es schade, wenn nur einseitig berichtet wird.«
»Damit muß man leben.«
»Vielleicht, aber das ist nicht das Problem, Miß Collins. Was Sie in den letzten Minuten erwähnt haben, wollen wir so schnell wie möglich vergessen. Hier geht es um andere Dinge.«
»Kann ich mir vorstellen. Eine Entführung…«
»Hören Sie doch auf.«
»War das keine Entführung?«
»Nicht für mich!«
Bei soviel Arroganz verschlug es Jane beinahe die Sprache. »Sie sind doch nicht der Herrgott, Sir. Auch ein Mr. Kendrake muß sich an die
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