0921 - Totengrinsen
die Beine an und legte sie auf den Schreibtisch. Die Hände fanden auf meinem Bauch Platz, und ich machte den Eindruck eines zufriedenen Buddhas, der ruhig noch mehr abnehmen konnte.
Jane Collins war nicht so locker. Sie sah die Dinge ziemlich ernst, und auch während ihres Berichts zeigte sie nicht die Spur eines Lächelns. Was sie uns mitzuteilen hatte, hörte sich unglaublich und auch phantastisch an, aber wir hielten uns an die Regel, sagten nichts, und mir kam es so vor, als sollten wir ein Phantom jagen.
Das sprach ich dann aus.
Jane kümmerte sich nicht darum, sondern wollte Sukos Meinung hören.
»Da muß ich mich John anschließen.«
Die Antwort gefiel ihr nicht, aber sie hielt den aufkeimenden Ärger zurück. »Ihr haltet es also für Spinnerei?«
Wir schwiegen.
»Seid ehrlich. Ihr haltet die Aussagen des Vaters über seinen Sohn für Quatsch.«
»Nicht direkt«, formulierte ich zögernd.
»Wie indirekt denn?«
Suko hielt sich auch weiterhin zurück, so suchte ich nach einer Antwort. »Man hat ja viele dieser Berichte gehört und auch gelesen, das weißt du selbst. Und jetzt gibt es wieder einen. So sehe ich das.«
Jane nickte. »Was sagst du dazu, Suko?«
»Was willst du hören?«
Sie verdrehte die Augen. »Ich weiß, daß du nicht unbedingt auf meiner Seite stehst, aber wie wäre es denn mit der Wahrheit? Schlicht und einfach nur die Wahrheit.«
»Na ja, ich kann mich mit den Dingen auch nicht so recht anfreunden. Wenn wir jeden besuchen würden, der irgendwelche Erlebnisse während seines klinischen Todes gehabt hat, dann hätten wir verdammt viel zu tun, denke ich mir.«
»Also laßt ihr mich im Regen stehen?«
»Nein«, beruhigte ich sie. »Aber warum setzt du dich so ein? Da ist ein gewisser Book gekommen, berichtete von seinem Sohn, und engagiert dich, um dieses Traumgespenst oder was immer es gewesen sein mag, zu suchen. Eine Gestalt, die es vielleicht gar nicht gibt. Das mußt du dir mal vor Augen halten, Jane.«
Sie widersprach. »Es gibt sie, John. Es gibt diese Gestalt oder dieses Wesen.«
»Weißt du das genau?«
»Ich spüre es.«
»Dein Gefühl also.«
»Ja, geht es dir nicht auch so? Dieser Gerald Book war bei mir, und ich habe gesehen, wie er sich quälte. Wie ihn die Probleme beinahe erdrückten. Er hat sich wirklich große Sorgen gemacht und…«
»Muß er das denn wirklich?« fragte ich.
»Das finde ich schon.«
»Aber sein Sohn ist nicht gestorben. Er wurde gerettet. Er hätte glücklich sein müssen.«
»Das ist er sicherlich auch. Wobei ich glaube, daß du die Dinge trennen solltest.«
»Gut, Jane, gut. Du hast den Job angenommen.«
»Dann wäre ich nicht hier.«
»Können wir uns auf einen Kompromiß einigen?«
»Ungern.«
»Aber so ist das Leben. Du sprichst erst mal mit diesem Tim Book. Ich weiß selbst, daß wir dir vertrauen können. Und wenn dir etwas aufgefallen ist, dann kannst du ja zu uns kommen, und wir steigen mit in den Fall ein. Okay?«
Jane schaute mich an und verengte dabei die Augen. Zudem schüttelte sie noch den Kopf. »Was seid ihr doch für bequeme und faule Typen geworden!« Sie stand auf. »Wenn Sarah Goldwyn das hört, wird sie sicherlich auch überrascht sein.«
»Einspruch«, sagte ich. »Wenn du wirklich nachdenkst, hast du nicht viel in der Hand.«
»Ja, ja, ich weiß.« Sie griff in ihre Tasche, schaute uns noch einmal an, schüttelte den Kopf und rauschte grußlos davon. Die Tür zu Glendas Vorzimmer fiel krachend hinter ihr zu, so daß wir beide zusammenzuckten.
»Oje«, sagte Suko, »wenn wir da mal keinen Fehler begangen haben. Das sieht böse aus.«
»Meinst du?«
»Kann alles sein. Ein gutes Gewissen habe ich nicht.«
Ich horchte in mich hinein und mußte zugeben, daß es mir ebenso erging. Aber ich hielt auch ein Gegenargument parat. Es war wirklich seltsam, denn die konkreten Angaben fehlten einfach. Auch Jane wäre früher abgesprungen und hätte einen Fall mit derart wenigen Fakten eigentlich gar nicht übernommen. Zudem gab es zahlreiche Berichte von Menschen, die schon klinisch tot waren. Über ihre Erlebnisse hatten sie in Talkshows gesprochen oder den Printmedien entsprechende Interviews gegeben, das alles war bekannt, und man hatte auch niemals direkt nachgehakt und herausgefunden, was nun stimmte oder nicht. Natürlich kannte ich ähnliche Fälle. Selbst ich hatte schon einmal vor einem derartigen Tunnel gestanden, das in einem Zusammenhang mit einem konkreten Fall, in dem ich der Mittelpunkt war.
Suko
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