0929 - Engelsblut
Laufe der Zeit schon herauskristallisiert.
Helfen wollte sie.
Und sie half.
Das Blut wirkte wie immer. Sie schaute zu, wie sich die Wunde allmählich schloß. Immer wieder strich sie darüber hinweg. Mal von oben nach unten, dann von links nach rechts, und die beiden Ränder wuchsen zusammen, als wären sie an ihren Innenseiten mit Klebstoff bestrichen worden. Es gab auch keinen Zwischenraum, und Marcia strich noch weiter, um auch die kleinsten Spuren zu verwischen.
Erst dann war sie zufrieden.
Sie tastete noch einmal nach.
Keine Narbe war zurückgeblieben, nicht der geringste Strich. Dann stand sie auf, ging ins Bad, kehrte mit Wasser und einem Desinfektionsmittel zurück, reinigte die Wunde zuerst mit dem Wasser, spülte die Umgebung ab und benutzte danach das Desinfektionsmittel.
Nichts, aber auch gar nichts war zu sehen.
Marcia lächelte. In ihren Augen leuchtete die Freude über diesen wundersamen Erfolg.
Sie bewegte den Kopf, um in das Gesicht des Mannes zu schauen. Sie wollte herausfinden, ob er sich entspannt hatte.
Zwei blaue Augen schauten sie in diesem Moment an!
***
Wie ein Wilder war Bill Gates die Treppe hochgeeilt. Er rechnete damit, daß der andere schießen und ihm die Kugel zwischen die Schulterblätter jagen würde.
Er tat es nicht.
Gates erreichte die Haustür, riß sie auf, stürmte ins Freie, wo er nach wenigen Schritten stehenblieb, keuchte und dabei das Gefühl hatte, sich jeden Augenblick übergeben zu müssen.
Der Horror lag hinter ihm, aber er lag auch noch vor ihm, das wußte er. Und er wußte, daß es nicht so einfach sein würde, an diese Person heranzukommen.
Ein Fremder, einer mit einer Waffe, aber er hatte sie nicht mehr abdrücken können. Er war zu schwach gewesen und hatte blutend am Boden gelegen.
Blutend ja, aber auch tot?
Bill Gates dachte nicht mehr darüber nach. Er wollte nur weg. Zwar nicht zu seiner Mutter, das würde er später tun, er wollte nur aus der unmittelbaren Nähe des Hauses verschwinden und sich einen Platz suchen, wo er nachdenken konnte.
Den fand er im nahen Park.
Es waren noch genügend Bänke frei, und er konnte sich eine aussuchen. Nicht weit von dem Brunnen entfernt, an dem er sich in der Nacht die Hände gewaschen hatte, fand er den Platz, der ihm zusagte.
Dort ließ er sich nieder, streckte die Beine aus und stellte fest, daß er zitterte. Immer noch, denn der Druck war leider nicht von ihm genommen worden.
Seit der vergangenen Nacht hatte sich einiges verändert. Da fühlte er sich wie von einem Fluch umzingelt oder von zahlreichen, unsichtbaren Gegnern belauert.
Irgendwann würden sie aus ihren Höhlen hervorkommen und sich auf ihn stürzen. All die schrecklichen Typen, die ihn nicht verstanden, die nicht wußten, was er tun mußte und welche Aufgabe man ihm übertragen hatte.
Darauf wollte er sich vorbereiten. Er würde sich wehren und sich nicht kampflos abschlachten lassen.
Sein Mund bewegte sich, ohne daß irgendwelche Laute über die Lippen drangen. Er sprach nach innen, er redete mit sich selbst, aber er kam zu keinem Ergebnis.
Der fremde Mann spukte durch seinen Kopf. Er hatte ihn niedergestochen, und Gates konnte nur hoffen, daß er vor der Tür verreckte und verblutete. Das war die eine Seite, aber es gab noch eine zweite, und die sah nicht so gut aus.
Wenn er davon ausging, daß diese Marcia zu Hause war, dann mußte sie auch etwas gehört haben.
Zunächst sein zweimaliges Klingeln und sicherlich auch die Kampfgeräusche. Sie hatte bewußt nicht geöffnet, denn wenn sie schlau war, konnte sie sich ausrechnen, daß ihr der Killer auf der Spur war. Er zitterte weiterhin. Der Leim juckte, und in einem Anfall von Wut riß er sich den künstlichen Bart ab. Er schleuderte auch die Brille in ein Gebüsch, aber um seinen Mund herum klebte noch immer der widerliche Leim, als wollte er sich in die Haut hineinbrennen.
Mit beiden Händen bestrich er die Stellen. Sie juckten, sie brannten fast, er scheuerte daran, und er wußte auch, daß sich die Wangen röteten. Seine Mutter hätte ihn jetzt gewarnt und bestimmt von einer Entzündung gesprochen.
Die wolle er sich auf keinen Fall zuziehen, deshalb verließ er seinen Platz und ging wieder zum Brunnen, um sich zu reinigen.
Es war ein Paradies für Kinder, die ihn als Pool zweckentfremdet hatten. Sie standen im kniehohen Wasser unter den der Fontänen und fühlten sich wie unter einer Dauerdusche. Und niemand verjagte sie.
Um den Mann, der sich bückte und dabei das kalte
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