Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
093 - Das Hotel der lebenden Leichen

093 - Das Hotel der lebenden Leichen

Titel: 093 - Das Hotel der lebenden Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Coffin
Vom Netzwerk:
stellte gerade den Whisky auf den Tisch.
    »Du hast die Erscheinung im Club doch nicht so ernst genommen?« fragte Frank als sie getrunken hatten.
    »Ich? nein«, Henry fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Mein Gott, es war schon ein blödsinniges Gefühl, als die Knochenpfote so auf mich zukam.«
    »Ich mach dir einen Vorschlag, du Star der Bühne. Wir begeben uns in die Bar und ersäufen die Erinnerung an den gestrigen Abend«, schlug Frank vor.
    ***
    Es war warm in der Hotelhalle. Das Feuer im Kamin knisterte und prasselte. Vom angrenzenden Rauchsalon klang gedämpft das Anstoßen der Billardkugeln, und in der Bar klirrten Gläser aneinander.
    Commander Egerton stakste auf den Geschäftsführer Evans zu, der in der Empfangsloge im Gästebuch blätterte.
    »Ich habe soeben Professor Hackert erwürgt.«
    Wie auf ein Stichwort senkte sich Totenstille über die Halle. Das Feuer flackerte, ohne zu prasseln und zu knistern, die Billardkugeln rollten geräuschlos über das grüne Tuch. Ein Mann hielt das Glas, das er gerade zum Mund führen wollte, in der halb gehobenen Hand.
    Der Finger des Geschäftsführers, der über die Namenreihen im Gästebuch geglitten war, stockte in der Bewegung und blieb reglos liegen.
    Commander Egerton hatte nur halblaut gesprochen, und es war kaum anzunehmen, daß seine Stimme bis in den letzten Winkel zu den Billardspielern und den« Bargästen gedrungen war.
    Jeder Laut und jede Bewegung waren erstorben.
    Der Geschäftsführer hatte sich gefaßt. Er reckte sich und fragte laut.
    »Haben Sie etwas getrunken, Commander?«
    So plötzlich, wie sich die lähmende Stille über Menschen und Dinge gesenkt hatte, so plötzlich hörte sie jetzt wieder auf.
    Flüssigkeiten gluckerten in den Gläsern und Billardkugeln stießen wieder aneinander. Die angebrochenen Bewegungen wurden zu Ende geführt. In die, wie zu Marionetten erstarrten Menschen kam wieder Bewegung.
    »Haben Sie mich schon einmal betrunken gesehen, Mister Evans?«
    Commander Egertons Stimme klang eigenartig lallend und schien seine Worte zu wiederlegen.
    Plötzlich schien die Welt um ihn herum in rosige Schleier gehüllt, die alles in ihm auslöschten und es ihm unmöglich machten sich an irgend etwas zu erinnern.
    »Wenn Sie mir nicht glauben, schauen Sie doch einmal nach draußen«, grinste er.
    Der Geschäftsführer warf ihm einen strafenden Blick zu.
    »Unser englischer Sinn für Humor drückt sich oft in schwer verständlicher Form aus«, sagte er mit beißender Höflichkeit.
    Seiner Meinung nach war der gute Commander Egerton nicht nur betrunken, sondern sternhagelvoll. Andererseits aber hatte er den alten Offizier noch nie betrunken gesehen, außerdem wußte hier jedermann, daß Egerton nie log.
    Mister Evans fühlte, wie seine Handflächen feucht wurden.
    »Ist es wirklich kein — kein dummer Scherz, Commander?« keuchte er.
    »Nein.«
    Irgendwo wurde mit einem Knall ein Glas abgestellt. Das Geräusch kam aus der Bar. Sonst rührte sich niemand.
    »Um Himmels willen!«
    Evans Finger krampften sich um die Tischkante.
    »Das wäre ja furchtbar. Zeigen Sie mir, wo.«
    Er schob sich hinter seiner Barriere hervor, packte den Commander am Arm und zog ihn mit sich.
    Beide verschwanden durch die gläserne Eingangstür.
    Gleichzeitig setzte sich alles, was den Auftritt mitbekommen hatte in Bewegung. Sie drängten und schubsten sich durch den Eingang ins Freie.
    Am Horizont zog eine dunkle Wolkenwand auf. Einzelne Blitze zuckten herab und tauchten das Meer in gelblich fahles Licht. Der Wind ging böenartig, und riesige Wogen rollten gegen den Strand.
    »Hier war es«, murmelte Commander Egerton leise. Er deutete auf den Boden vor sich.
    »Aber, — ich sehe Professor Hackert nicht.«
    Evans Finger faßten Egertons Arm mit festem Griff.
    »Commander! Bei allem was mir heilig ist beschwöre ich Sie. Wo ist der Professor?«
    »Er ist nicht mehr da.«
    Commander Egerton machte ein Gesicht wie ein Kind, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hatte.
    In einiger Entfernung standen die Gäste und das Personal des Hotels Sea View und starrten zu ihnen hinüber.
    Vom Meer her blies ein eisiger, kalter Wind. Die Brandung zischte hoch.
    Mister Evans Stimme klang hart.
    »Die Sache kommt mir verdammt komisch, vor, Commander. Sie kommen und erzählen uns eine Schauergeschichte, und der Professor sitzt wahrscheinlich schon in seinem Zimmer.«
    »Nein«, erwiderte Egerton mit erstickter Stimme. »Das glaube ich nicht.«
    »In diesem Falle.«

Weitere Kostenlose Bücher