093 - Das Hotel der lebenden Leichen
welche hätte«, setzte lächelnd ein anderer hinzu, dessen Schädel wie eine Billardkugel glänzte. Es war ein dicker Mann, von etwa 55 Jahren mit einem unförmigen Bauch und einer Brille auf der Nase.
Der Mann kam Henry merkwürdig bekannt vor, aber er wußte im Augenblick nicht, wo er ihn schon gesehen hatte.
Jetzt blickte der Dicke zu ihnen herüber. Seine Augen weiteten sich, und ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er sprang auf und kam auf sie zu.
»Mein lieber Danforth!« rief er und ruderte mit seinen kurzen Armen aufgeregt umher, als sei er bereit, Henry an seine Brust zu drücken.
»Wie mich das freut. Seit wann sind Sie hier?«
»Seit heute Abend. Aber ich weiß nicht...«
»Ah, Sie erkennen mich nicht. Ich bin Walther Webbs. Wir haben schon einmal zusammen gearbeitet.«
Henry Danforth erinnerte sich jetzt schwach. Er hatte mit diesem Mann wirklich schon einmal auf der Bühne gestanden. Webbs, der ein mittelklassiger Schauspieler war, hatte damals eine unbedeutende Nebenrolle gespielt.
»Ja, natürlich. Sie sind Walther Webbs.« Henry machte ein zerknirschtes Gesicht. »Wie konnte ich das vergessen?«
»Macht nichts. Der große Henry Danforth unter unserem Dach, wirklich, das freut mich ungemein. Es ist sonst nicht viel los hier. Sie gehören zusammen?« Webbs dicker Zeigefinger fuhr von Henry zu Frank.
Henry stellte Frank Connors vor.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Mister Connors. Sie müssen beide ein Glas mit mir trinken.«
Ohne eine Zustimmung abzuwarten, drängte sich Webbs zwischen Henry und Frank und bestellte eine Runde.
Frank Connors, ging die Art dieses dicken Kerls gegen den Strich. Andererseits, kam er ihm gerade richtig.
»Sagen Sie, Mister Webbs, ich hörte da eben zufällig, daß jemand behauptet hätte, einen anderen erwürgt zu haben. Könnten Sie uns die Geschichte nicht näher erklären?« drängte er.
»Natürlich, natürlich. Unser Commander, ein beachtenswerter Mann, hat sich da heute abend einen seltsamen Auftritt erlaubt.« Webbs dämpfte sein Organ etwas, beugte sich vor und berichtete von dem eigenartigen Benehmen des Hotelgastes, den er fast ausschließlich Commander nannte.
Frank Connors hörte interessiert zu. Seine Augen verengten sich, die Lider zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. Ein nachdenklicher Ausdruck lag in seinem Gesicht.
»Ein feiner Kerl sonst, der Commander, ich kann es mir nicht anders erklären, als das mit ihm hier oben etwas nicht mehr stimmt.«
Walther Webbs tippte mit dem Zeigefinger gegen seine Stirn.
»Aber Schwamm darüber, davon wollen wir jetzt nicht mehr reden, außerdem haben wir noch gar nicht getrunken.« Der Dicke hob sein Glas und prostete Frank und Henry zu.
Sie tranken noch etliche Whisky miteinander.
Mr. Webbs ging Frank immer mehr auf die Nerven. Er war wie Fliegenpapier. Je erbitterter man sich von ihm loszumachen versuchte, desto fester klebte er.
Das ferne Grollen des Donners war zu bedenklich nahem Krachen angeschwollen. Regen prasselte gegen die Fensterscheiben. Von Zeit zu Zeit wurden die vorgezogenen Vorhänge von Blitzen schlagartig erleuchtet.
In der Tür zur Bar tauchte ein jüngeres Paar auf. Die Frau war die gleiche, mit der Henry im Speisesaal geflirtet hatte.
»Dort sitzt er. Ich sage dir, das ist Henry Danforth«, zischelte die junge Frau. »Komm, wir machen uns an ihn heran.«
»Versprichst du mir, den Burschen nicht schöne Augen zu machen, Marion?« grinste der Mann.
»Ich schwöre es.«
Das Paar schiendete heran.
»Entschuldigen Sie, aber meine Frau verehrt leidenschaftlich einen Schauspieler namens Henry Danforth. Sind Sie vielleicht derselbe?«
Henry, der gerade freundlich auf das Whiskyglas in seiner Hand schaute, blickte auf. Er musterte das junge Paar amüsiert.
»Ich bin allerdings Henry Danforth. Kann ich etwas für Sie tun?«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchten wir Ihnen etwas Gesellschaft leisten.«
Das junge Paar stellte sich vor als Ronald und Marion Crane aus London.
Nachdem auch Frank sich dem Ehepaar bekannt gemacht hatte, nahmen die jungen Leute an der Seite Henrys Platz.
Mister Webbs redete auf Frank Connors ein.
»Die Sache mit dem Commander, — wenn er wirklich, — wäre natürlich, — Skandal.« Nur vereinzelte Bruchstücke drangen an Franks Ohr. Seine Augen lagen auf einem in der Tür stehenden Mann, der eine frappierende Ähnlichkeit mit der dicken Nervensäge an seiner Seite hatte.
Auch er war dick und hatte eine
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