093 - Das Hotel der lebenden Leichen
über sie zusammen.
»Du denkst über mich nach, wie?« grinste John Mallory. »Gib dir keine Mühe, mein Täubchen, du wirst es nicht erraten«, tönte seine höhnische Stimme. »Aber, weil du so ein hübsches Täubchen bist, sollst du vor deiner Veränderung die ganze Wahrheit über mich erfahren.«
Wie hypnotisiert starrten Lorna Danforths Augen auf den Mann, der ihr mit monotoner Stimme eine unglaubliche Geschichte erzählte.
»Das — das ist doch nicht wahr«, hauchte sie.
Eine fürchterliche Ohrfeige verschloß ihr den Mund. Wimmernd fiel ihr Gesicht zur Seite.
»Halt deinen Mund, Täubchen, und wage es nicht, einen Unsterblichen als Lügner zu bezeichnen.«
Lorna ahnte, daß sie diesem teuflischen, unbarmherzigen Wesen nicht mehr entrinnen konnte. Wie irrsinnig schlug ihr Herz gegen die Rippen.
Ein Gefühl der Ohnmacht überkam sie.
Das leise Lachen John Mallorys, kaum vernehmbar, und doch den Raum füllend, zerriß die Stille.
»So lange ich meinen Kopf auf den Schultern behalte, bin ich nicht zu besiegen, Täubchen«, kicherte er.
Das kann doch nur ein Verrückter sein.
Diesmal hatte Lorna es nicht ausgesprochen, sie hatte es nur gedacht.
Wieder hatte der Dämon ihre Gedanken gelesen. Und wieder erhielt sie eine schwere Ohrfeige, daß sie die Wucht des Schlages ein Stück über den Teppich rutschen ließ.
»Den zukünftigen Herrn über die Menschheit beleidigst du nicht. Du mußt wissen, daß John Mallory dein Herr ist.«
Lorna Danforth hörte diese letzten Worte nicht mehr. Eine wohltätige Ohnmacht hatte sie in ihre Arme genommen.
»Sieh deinen zukünftigen Herrn an, Täubchen.«
John Mallory stieß mehrmals mit dem Fuß gegen Lornas schlaffen Körper.
Sie rührte sich nicht.
Langsam erst begriff er, daß die Frau ihn nicht mehr hörte.
Er wandte sich um und huschte durch den Raum. Mallory riß erst die Tür zum Schlafraum, dann die zum Badezimmer auf.
Er sah die Badewanne, und ein grausames Lächeln überflog seine bleichen Züge.
John Mallory huschte zu der ohnmächtigen Frau zurück. Er packte sie brutal an den Haaren und schleifte sie zum Badezimmer. Mit leisem Fauchen sprang der Gasherd an, als er den Warmwasserhahn aufdrehte.
Während sich die Wanne füllte, zog er die ohnmächtige Frau aus. Mitleidlos starrte er auf den hübschen, makellosen Körper Lorna Danforths. Keine Frau, wäre sie noch so schön, wäre in der Lage, in diesem Untertanen des Satans die Spur eines Gefühls zu erwecken.
Mit dem Badethermometer maß John Mallory genau die Wärme des Wassers. Er wartete, bis die Wanne über halbvoll war. Dann nahm er Lorna hoch und setzte sie ins Wasser. Es kostete ihm einige Mühe, und da die Wanne außergewöhnlich groß war, entglitt ihm fast der Körper. Aber, noch hielt er die Frau, und erst als er sie in eine sitzende Stellung gebracht hatte, ließ er sie los.
Die bleiche Farbe seiner Fratze war jetzt ins grünliche übergewechselt.
Wie Hornissenschwärme, so summten unhörbare Ströme in seinem teuflischen Schädel. Sie meldeten ihm, daß jemand unterwegs zu diesem Raum war. Der Stellvertreter des Satans erkannte blitzartig, daß es ein Fehler gewesen war, die Frau nicht auf die schnelle Art umzubringen.
Hastig wandte er sich um. Von der Tür aus warf er noch einen Blick auf die Frau, die langsam tiefer rutschte.
»Du hast alles vergessen, hörst du, alles vergessen.« Der Befehl kam lautlos.
Dann rannte er durchs Wohnzimmer, huschte über den dämmrigen Korridor und verschwand in der Tür auf der gegenüberliegenden Seite.
Immer noch erschütterten grollende Donnerschläge das einsame Hotel. Das Unwetter schien kein Ende nehmen zu wollen.
***
Mit langen Schritten eilte Frank Connors durch den Korridor. Je mehr er sich dem Appartement Lornas und Henrys näherte, um so mehr stieg seine Unruhe. Ihm war, als habe er einen, huschenden Schatten gesehen. Die Tür war verschlossen.
Frank klopfte.
Nichts.
Er drückte die Klinke herab. Die Tür gab nach. Mit einem Blick überflog Frank den Raum. Die Tischlampe in der Ecke erhellte ihn nur schwach. Lorna Danforth war nicht zu sehen.
Frank griff zum Schalter neben dem Türfutter.
Ein Klicken ertönte, im selben Augenblick flammte die Deckenleuchte auf. Auch jetzt sah er Lorna nicht.
Ohne einen Moment zu überlegen, hastete Frank zur Schlafzimmertür, stieß sie auf und schaltete auch hier das Licht ein.
Auch hier war Lorna nicht.
Der Gedanke, ihr könnte was passiert sein, ließ Frank Connors fast erstarren.
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