093 - Das Hotel der lebenden Leichen
Kehle.
Er nutzte seine Chance und knallte ihm mit letzter Kraft beide Fäuste ins Gesicht, in den Magen, wieder ins Gesicht und gegen die Schläfen.
Ebensogut hätte er mit der blanken Faust gegen eine Betonwand eintrommeln können.
Immer fester drückten sich die würgenden Finger in Frank Connors Hals.
***
Das Gewitter schien noch heftiger zu werden. Grell zuckten in kurzen Abständen Blitze über den kohlschwarzen Nachthimmel, alles mit einem geisterhaft fahlen Licht übergießend. Schwere Regentropfen trommelten gegen die Fensterscheiben.
Jedesmal, wenn ein knallender Donnerschlag das monotone Trommeln des Regens zerriß, zuckte Marion Crane zusammen. Ängstlich in sich zusammengekauert hockte sie im äußersten Winkel des breiten Bettes.
Marion war eine schöne Frau, aber jetzt waren ihre Züge verzerrt. Hin und wieder schüttelte ein hartes Schluchzen ihren zarten, nur mit einem hauchzarten Negligé bekleideten Körper. Es war noch keine Stunde vergangen, seitdem sie das Appartement betreten hatte, aber ihr kam es so vor, als ob es schon eine Ewigkeit her wäre.
Wenn doch nur Ronald endlich käme. Marion hatte immer Angst bei Gewittern, aber heute verspürte sie ein besonders quälendes Gefühl. Ein Gefühl, das heute so etwas Ähnliches wie Todesangst war. Vielleicht sind es auch nur die Nerven, versuchte sie sich immer wieder zu beruhigen.
Wieder ließ ein Donnerschlag die Mauern erbeben. Feurig jagte ein Blitz quer über den Himmel, alles im Zimmer taghell beleuchtend.
Dann war es wieder für einige Sekunden still.
Entsetzt zog Marion Crane die Bettdecke über den Kopf. Sie konnte das Wüten der Natur einfach nicht mehr hören, und so merkte er nicht, wie sich die Tür öffnete, zwei geisterhafte Gestalten ins Zimmer schlichen und vorsichtig die Tür hinter sich schlossen. Einen Augenblick verharrten die beiden Gestalten. Dann hatten sie die auf dem Ruhelager kauernde Frauengestalt bemerkt.
Marion Crane hatte einen Zipfel des Bettuches in den Mund geschoben.
Mein Gott, dachte sie, hört dieses schreckliche Gewitter denn niemals auf?
Plötzlich hörte sie eine Stimme, die ihren Namen rief. Marion schrak zusammen. Ein paar Herzschläge lang war Stille.
Hatte sie sich verhört? Nein, da war es wieder!
»Marion!«
Es war Ronalds Stimme, aber sie klang seltsam hohl.
Na, jetzt ist er wieder einmal restlos voll, dachte Marion wütend.
Marion Crane schlug die Bettdecke zurück und schaltete die Nachttischlampe an.
Sie erstarrte!
Ronald war nicht allein. Neben ihm stand ein unheimlich aussehender Mann, dessen Kopf einem Totenschädel glich.
Die Anwesenheit des Fremden hatte Marion Crane für Sekunden von ihrem Mann abgelenkt. Jetzt fuhren ihre Augen über seine Gestalt.
Mein Gott, das war doch nicht möglich. Entsetzt aufschreiend richtete sie sich auf.
Ronald Crane sah schrecklich aus. Seine ganze Gestalt war blutverschmiert. Dicke Tropfen geronnenen Blutes hingen an seiner Kleidung, und aus seiner Brust quoll noch immer langsam und dunkelrot der kostbare Lebenssaft.
»Ronald, was ist dir passiert?« schrie sie laut.
Crane antwortete nicht, dafür aber der unheimliche Fremde.
»Schrei nicht so laut«, befahl er. »Sieh mich an.«
Saugend bohrten sich John Mallorys Augen in diel der Frau.
Marion fühlte ein leichtes Brausen in ihrem Kopf. Angst, Ratlosigkeit und ihre panische Verwirrung schwanden wie Butter in der Sommersonne. Sie fühlte sich angenehm leicht.
Der fremde Mann hatte sich verändert. Sein schmales, gutaussehendes Gesiebt war von langem modern frisiertem Haar umrahmt. Seine ganze Erscheinung hatte plötzlich eine auf Marion erotisierende Wirkung. Marion Crane spürte plötzlich ein unsagbares Verlangen nach diesem Mann.
Sehnsüchtig breitete sie ihre Arme aus.
»Komm, komm«, flüstert sie Das teuflische Kichern John Mallorys. klang in ihren Ohren wie zärtliche Musik.
Jetzt war er über ihr.
Marion schlang ihre Arme um seinen Hals. Sie streckte ihm ihr Gesicht entgegen. Ihre halbgeöffneten Lippen seufzten.
Das Seufzen wurde zu einem ’ dumpfen Gurgeln, als die satanischen Krallen ihre Kehle umschlossen.
Wieder füllte das furchtbare Kichern John Mallorys den Raum.
***
In Frank Connors Ohren begann es zu dröhnen. Seine Augen drangen ihm aus den Höhlen.
Verzweifelt nahm er kurz vor dem bitteren Ende am Gesicht seines Gegners Maß, peilte des Kellners Augen an und stieß mit dem Zeigefinger zu.
Der Mann stieß einen schrillen Schrei aus, seine Hände lösten
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