0934 - Der Arm des Monsters
halten.
Jane fühlte und tastete sich hoch. Genau die Stellen, wo das Augenpaar erschienen war, hatte sie plötzlich gefunden. Und sie mußte zugeben, daß sich dort, unter der Haut, etwas veränderte.
Da fühlte sie eine Bewegung. Muskeln und Sehnen zuckten oder zogen sich zusammen. Sie wellten sich noch, sie drückten sich wieder tiefer, sie waren nicht mehr tot, sie lebten!
Augen entdeckte sie nicht.
Aber eine gewisse Wärme strahlten die beiden Stellen schon ab. Sie fuhr wie ein Hauch an Janes Fingerspitzen entlang, um dann zu verschwinden.
»Spüren Sie was?«
»Ja - doch!«
Angela mußte lachen, es klang mehr wie ein Weinen. »Dann habe ich nicht gelogen, mir nichts eingebildet. Die Hitzeschauer merke ich nur. Sie ziehen durch die Schultern. Alles kribbelt, aber es ist verdammt nicht angenehm. In meinem Arm, der gar nicht mein Arm ist, steckt etwas Fremdes. Sag mir, was ich tun soll!«
Auch Jane fiel in den vertrauteren Tonfall. »Du bleibst hier sitzen, Angela. Es ist am besten für dich. Versuche, dich zusammenzureißen, ich muß mich um den Kerl da draußen kümmern.«
»Was willst du denn tun?«
Jane drückte sich hoch. »Ich weiß es noch nicht.« Sie strich über Angelas linke Wange. Dort war die Haut völlig normal, nicht heiß, nicht kalt. Sie überlegte, ob sie ihre Waffe ziehen sollte, die sie in den Hosenbund an ihrem Rücken gesteckt hatte. Es wäre ein Ausweg gewesen, aber kein guter, denn noch hatte ihr der Mann nichts getan.
Mit einem Schritt hatte sie den Schatten erreicht, wo sie erstens nicht so schnell gesehen werden konnte und zweitens auch nicht so stark geblendet wurde.
Sie konzentrierte sich wieder auf die Scheibe. Jane brauchte eine Neuorientierung, denn jetzt kam ihr das Fenster wie eine dunkle Leinwand vor, die etwas verbergen wollte. Jane konzentrierte sich auf das Gebüsch und auf die Stelle, wo sich der Fremde aufgehalten hatte.
Stand er noch da?
Zunächst entdeckte sie ihn nicht. Ihr fiel das Wippen der Zweige auf. Der Wind war nicht so stark, um diese Bewegungen zu schaffen. Das mußte von einer anderen Seite her geschehen sein, und plötzlich entdeckte Jane Collins den Grund.
Der Fremde hatte seinen Platz verlassen und schlug sich durch das Buschwerk. Es schien ihm egal zu sein, ob er von zurückschnellenden Zweigen im Gesicht getroffen wurde oder nicht.
Es sah aus, als hätte er sich zwischen den Büschen verfangen. Mit den Händen schlug er um sich, dann hatte er sich befreit und bewegte sich auf die Terrasse zu.
Er konnte nicht im Dunkeln bleiben und mußte durch den Lichtbalken einer der Lampen gehen. Der packte ihn regelrecht und ließ ihn zu einer scharf umrandeten Figur werden.
Jane schaute nur zu. Sie war erstaunt über diese Gestalt. Zum erstenmal sah sie den Mann deutlicher. Sie mußte ihr Urteil revidieren.
Er hatte nicht mit zwei Armen zugeschlagen, das hatte in der Dunkelheit nur so ausgesehen. Dieser Mann hatte nur einen Arm, und Jane Collins kam ein furchtbarer Verdacht.
Die Bewegungen der Gestalt lenkten sie aber ab. Der Mann ging nicht normal. Er hielt einen Arm vorgestreckt, während seine Finger im hellen Licht aussahen wie dicke Mehlwürmer. Er tastete sich vor. Er suchte ein Ziel, und dann geriet sein Gesicht in den Lichtkegel.
Es war sehr blaß. Die Nase wirkte platt, der Mund stand offen. Das Haar lag wie krause Wolle auf der Stirn. Die Wangen waren eingefallen und von scharfen, sichelartigen Falten durchzogen.
Jane konzentrierte sich auf die Augenbrauen unter der hohen Stirn. Im Gegensatz zu ihnen waren die Augen sehr dunkel, fast schwarz.
Augen?
Nein, das waren keine Augen. Augen hätten, auch wenn sie dunkel waren, erkannt werden müssen, doch hier fehlte die Tränenflüssigkeit.
Die Augen wirkten deshalb tot und glanzlos.
Nein, nein, nein! Wie konnte ich nur so dumm sein? Das sind keine Augen, das ist nicht möglich. Die Höhlen sind leer, er ist augenlos und völlig blind. Deshalb bewegt er sich so unmöglich.
Aber Jane wußte, wo sich seine Augen befanden, und es lief ihr eiskalt über den Rücken…
***
»Dann werde ich mal fahren«, sagte Suko, als er die Tasse Tee geleert hatte. »Was tut man nicht alles für seine Freunde?«
»Willst du allein los?« fragte Shao.
Suko brachte die Tasse in die Küche. »Wenn du mit dieser Frage andeuten wolltest, daß du mitwillst, mir ist es egal. Vier Augen sehen mehr als zwei.«
Shao war ihm gefolgt. »Darf ich dich fragen, was wir überhaupt sehen sollen?«
Er nickte. »Ja, das
Weitere Kostenlose Bücher