0934 - Der Arm des Monsters
sie sprach Jane daraufhin nicht an, sondern saß in ihrem Sessel wie eine Puppe, die nur auf einen bestimmten Befehl reagierte.
Dann aber mußte sie sprechen. Und sie sagte das, woran auch Jane gedacht hatte.
»Er hat nur einen Arm. Ich sehe seine Augen nicht. Er kommt zu mir. Kennst du den Grund?«
»Warte es ab.«
»Er will sich die Dinge zurückholen!« keuchte die Schauspielerin. »Er will sie haben. Meinen Arm, der nicht mein Arm ist. Er will auch die Augen haben…«
Jane Collins schwieg. Aber die Lage hatte sich zugespitzt. Sie wußte jetzt, daß Angela Maitland keine Spinnerin gewesen war und auch nicht übertrieben hatte.
Der Mann tappte über die Terrasse. Er rammte mit dem rechten Bein einen der Stühle, kippte nach vorn und hatte Schwierigkeiten, sein Gleichgewicht zu halten.
Der rechte Arm diente ihm als Stütze, und so kam er dann wieder in die Höhe.
Kein Hindernis trennte ihn noch von der Scheibe. Er schien es zu ahnen, denn sein nächster Schritt war länger und auch schneller.
Jane hatte ihre Hand gegen den Griff der Waffe gelegt. Sie überlegte, ob sie die mit geweihten Silberkugeln geladene Beretta ziehen sollte. John hatte ihr eine besorgt. Die alte Astra war zwar eine Damenpistole, aber längst nicht durchschlagskräftig.
Es war ihr Recht, daß sich Angela nicht meldete und sich eher ruhig verhielt.
Zwar atmete sie heftiger als normal, das allerdings gehörte dazu.
Und der Blinde mit dem einen Arm setzte seinen Weg fort. Er schien zu ahnen, daß er sich seinem Ziel schon ziemlich genähert hatte und bewegte seinen Arm im Halbkreis, um ein weiteres Hindernis ertasten zu können. Die Hand fuhr ins Leere, was ihn dazu verfaßte, den nächsten Schritt auf das Fenster zuzugehen.
Jane Collins beobachtete alles sehr genau. Sie war beeindruckt von der Zielstrebigkeit dieser Person. Gleichzeitig fragte sie sich, wie dieser Mann ins Haus kommen wollte.
Die Scheibe einschlagen?
Er bewegte sich nach Gefühl. Seine Sinne mußten etwas ausgesaugt haben, und das war nun mal Angela Maitland. Jane hatte mit ihm nichts zu tun, sie würde ihn nur stoppen müssen, wenn es hart auf hart kam.
Der letzte Schritt.
Janes hatte den einarmigen Blinden nicht aus den Augen gelassen. Der rechte Arm bewegte sich bei diesem Vorgehen völlig normal, an der linken Seite aber schlenkerte nur der Jackenärmel hin und her, und dann merkte der Blinde überdeutlich, wie sehr ihm das Augenlicht fehlte. Die Scheibe hatte er als Hindernis nicht sehen können, deshalb prallte er auch dagegen. Es sah beinahe witzig aus, was es natürlich nicht war.
Beide Frauen hörten den Aufprall. Zudem hatte der Blinde seinen Kopf nach vorn gedrückt und war durch ihn mit der Scheibe in einen ersten Kontakt geraten. Er prallte mit dem Gesicht dagegen, das sich durch den Widerstand des Glases eindrückte.
Die Haut sah plötzlich aus, als bestünde sie aus Pudding. Die Nase flachte ab, sie drehte sich dabei zur Seite, als sollte sie aus dem Verbund hervorgerissen werden, und der Mund mit seinen vorstehenden Lippen wurde zum Fischmaul.
Nur kurze Zeit »klebte« der Mann an der Scheibe. Er hatte seinen rechten Arm gehoben, die Hand gespreizt, und die lag wie ein Klumpen Teig am Glas. Dann drückte er sich wieder zurück. Er schwankte, kleine Schritte zurück sorgten für sein Gleichgewicht, und als er fast schon bei den Möbeln stand, blieb er stehen.
Jane stieß zwar die Luft aus, aber sie atmete nicht auf. Sie wußte, daß der erste Versuch des Einarmigen erst die Ouvertüre gewesen war.
Weitere würden folgen, das stand für sie fest, denn er mußte ins Haus, um sich das zu holen, was ihm gehörte.
Den Arm, die Augen…
Und er würde dabei über Leichen gehen!
Sie hatte die Beretta wieder weggesteckt. Diesmal vorn in ihren Gürtel.
Da Schweiß die Hände bedeckte, war die Haut einfach zu glatt geworden, um die Pistole richtig halten zu können.
Noch tat der Mann nichts. Wahrscheinlich dachte er nach, falls er dazu in der Lage war. Jane fiel auf, daß er bei seinem Weg zum Fenster nicht sichtbar geatmet hatte. Bei dieser Temperatur kondensierte der Atem vor den Lippen eines Menschen. Mußte sie davon ausgehen, es nicht mit einem Menschen zu tun zu haben, sondern mit einem Zombie oder einer künstlichen Gestalt, zusammengenäht nach der Frankenstein-Methode, wie sie es bei Lucy, dem U-Bahn-Phantom, erlebt hatten?
In dieser irren Welt war einfach alles möglich. Sie war zu einem Tollhaus der schlimmsten Gestalten
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