0934 - Der Arm des Monsters
mehr hörte, wollte er wieder auf die Scheibe zugehen.
Die Lücke konnte er nicht sehen, als würde er sich gegen das Glas werfen.
Das wollte Jane auf keinen Fall. Sie war auf die Terrasse gelaufen und hatte sich schon nach zwei Metern umgedreht. Jetzt schaute sie den einarmigen Blinden an.
»Hier bin ich!«
Der Mann stoppte. Zuerst sah es aus, als wüßte er nicht, was er unternehmen sollte, und Jane rief ihm ein leises »He!« entgegen, während sie die Waffe hervorholte.
Der andere wußte Bescheid.
Er ging geradewegs auf die Detektivin zu…
***
Suko spürte den wuchtigen Treffer genau zwischen den Augen. Er hatte das Gefühl, als wäre seine Stirn zuerst zerstört und der Kopf dann auseinandergerissen worden. Er konnte nicht mehr denken, nicht mehr fühlen, man hatte ihm diese geistigen Kräfte blitzartig weggenommen, aber er registrierte noch, daß er es nicht mehr schaffte, sich auf den Beinen zu halten. Der Körper war zu schwer geworden. Er knickte ein und fiel um.
In und zwischen den Büschen verschwand er, ohne sich wieder zu erheben.
Shao, die nicht weit entfernt stand, hatte alles gesehen, aber trotzdem nicht genau mitbekommen, was da geschehen war. Sie sah Suko plötzlich fallen, verschwinden und mußte automatisch daran denken, daß man ihn erschossen hatte.
Aber wer? Außerdem hatte sie keinen Schuß gehört. Suko mußte etwas anderes erwischt haben, aber Shao wußte nicht was, sie rechnete sogar mit einem Giftpfeil und dachte daran, daß sie die nächste auf der Liste war.
Wie lange sie steif auf dem Fleck gestanden hatte, konnte sie nicht sagen. Für sie war es wichtig, keine Zielscheibe abzugeben. Nach dem Überwinden des ersten Schocks kam ihr dieser Gedanke automatisch, und so ließ sie sich fallen.
Etwas strich dabei haarscharf an ihrem linken Ohr vorbei. Sie hörte ein Klatschen, weil das Geschoß gegen einen Ast geprallt war, aber der normale Schuß war noch immer nicht gefallen. Sie lag auf dem feuchten Boden, die Finger gegen die Steine gepreßt. Sie wollte weg, dorthin kriechen, wo die Büsche dichter beisammenstanden, da gab es Deckung, aber sie wollte auch nicht zu weit von Suko weg, denn sein Schicksal beschäftigte sie mehr als das ihre.
Shao wand sich mit der Geschmeidigkeit einer Tempeltänzerin über den Boden. Dabei konzentrierte sich die Chinesin auch auf ihre Umgebung, doch von dem Verfolger war nichts zu hören. Das Rascheln der Blätter konnte sie nicht vermeiden, als sie zwischen die Büsche kroch. Am liebsten wäre sie unter der Erde hergekrochen, doch in einen Wurm konnte sie sich nicht verwandeln. Sie schmeckte Dreck auf den Lippen.
Spinnweben strichen feucht über ihre Gesichtshaut. Sie spürte die weichen, schmierigen Blätter des Laubs vom Vorjahr und erreichte eine schmale Lücke zwischen zwei knorrigen Sträuchern, in die sie sich hineinzwängte.
Shao lag zwischen Parkplatz und Haus. Die Deckung oder das Versteck war nicht optimal, das wußte sie selbst, aber fliehen konnte sie nicht. Sie mußte an Suko denken, der einfach umgefallen war, wie von einem Gehirnschuß getroffen.
Shao wünschte sich in diesem Augenblick die alten Zeiten zurück. Da hatte sie zwar im Reich der Sonnengöttin Amaterasu gelebt, aber ihr waren Ausflüge in die normale Welt erlaubt worden. Sie war dort als Frau mit der Armbrust und mit der Maske erschienen und hatte sich dank ihrer Waffe durchkämpfen können.
Jetzt lag sie auf dem Boden. Waffenlos, denn eine Pistole hatte sie nicht mitgenommen.
Shao drehte sich vorsichtig auf die rechte Seite, um in Indianerart am Boden zu lauschen. Jedoch ohne Erfolg. Es blieb still.
Der Schießer war aber noch da. Das wußte sie. Sie hatten ihn nicht verschwinden hören. Er mußte sich in der Umgebung aufhalten.
Wahrscheinlich war er vom Erscheinen zweier Personen überrascht worden und überlegte jetzt, wo er sie einsortieren sollte.
Es blieb ruhig.
Auch Suko gab keinen Laut von sich. Shao hätte sich sogar über ein Stöhnen gefreut, dann wäre sie sicher gewesen, daß er noch lebte. Aber es war nichts von ihm zu hören.
Auch sie hielt den Atem an und mußte erleben, wie lange zwei Minuten werden können. Sie lag da mit halbgeschlossenen Augen und konzentrierte sich nur auf die Umgebung. Kam er? Kam er nicht? Nein, er hielt sich zurück. Er lauerte auf seine Chance. Sicherlich hatte er längst erkannt, daß er es mit einer Frau zu tun hatte. Sie würde ein leichtes Opfer werden.
Du irrst dich, Bastard, dachte Shao und richtete sich so
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