0939 - Wenn der Satan tötet...
und immer mehr der Nacht entgegen, die ihn schließlich umschlang wie ein finsterer Nebel.
Bei einem Halt irgendwo in Mittelfrankreich war er noch einmal aufgewacht. Das Schlagen der Türen hatte ihn gestört. Sein Blick war durch das Fenster auf einen Bahnhof gefallen, dessen größter Teil im Dunkel lag, denn es brannten nur wenige Lichter.
Zwei Reisende stiegen ein. Männer, die lange Mäntel trugen und an ihren Koffern schleppten. Sein Abteil betraten sie nicht, aber sie blieben in seinem Wagen.
Er war wieder eingenickt.
Ein traumloser Schlaf wurde es nicht. Immer wieder sah er die Bilder durch seine Träume geistern, die ihn begeisterten. Schreckliche Bilder, grauenhafte Szenen, als sollte ihm das Innere der tiefsten Verdammnis gezeigt werden.
Und aus diesem Chaos hervor sah er sich selbst steigen. So herrlich rein und geläutert. Als perfekter Mensch. Als jemand, der keine Fehler machte, der endlich tief Luft holen konnte und sich darüber freuen konnte, fast teufelsgleich zu sein, denn nichts anderes war sein größtes Ziel, das hinter allem stand.
Zuvor aber wollte er die Welt verändern. Deshalb mußte er leiden, aus diesem Grunde bluteten seine Hände auch wieder einmal, wie auch zu dem Zeitpunkt, als er zum zweitenmal erwachte und sich zuerst nicht zurechtfand.
Er spürte die leichten Bewegungen des Zuges, er schaute gegen das Fenster, sah schwach sein Gesicht und die Dunkelheit dahinter. Aber der Himmel schien ihm schon etwas heller geworden zu sein. Bis Toulouse war es nicht mehr weit.
Dann merkte er den blutigen Schmier an seinen Händen. Carlos verzog das Gesicht, schaltete die Lampe über seinem Kopf ein, weil ihm das Deckenlicht nicht ausreichte, und schaute sich um, ob er irgendwo Spuren hinterlassen hatte. Nein, keine.
Alles war sauber. Er hatte das Glück gehabt, rechtzeitig genug erwacht zu sein.
Aber das Blut mußte er loswerden, deshalb stand er auf und verließ sein Abteil, um zur Toilette zu gehen. Der Rauch eines Pfeifentabaks wehte ihm entgegen. Er sah einen Mann, der mit dem Rücken gegen ein Fenster gelehnt stand und tief in Gedanken versunken war, während er hin und wieder einen Zug nahm.
Carlos passierte ihn. Der andere nahm ihn kaum wahr. Die schmale Toilette war nicht besetzt. Er betrat sie und schloß hinter sich ab. Das Licht hier kam ihm kalt und blendend vor. Er schaute in den Spiegel und fand, daß er trotz der relativ unruhigen Zeit recht gut aussah. In seinem rabenschwarzen Haar zeigte sich kein grauer Faden. Das Gesicht war faltenlos und die dunklen Brauen wölbten sich wie geschwungene Brücken über seinen Augen, deren Pupillen ebenfalls die Dunkelheit des Haars aufwiesen. Sein Mund wirkte weich, aber die Lippen waren trotzdem nicht zu fraulich. Das Kinn wies auf Energie und Durchsetzungsvermögen hin.
Dann schaute er sich seine Hände an. Sie sahen nicht gut aus.
Wieder klebte das Blut dick wie Pudding auf der Haut. Er ließ Wasser laufen und wusch es sich ab.
Mit Papier trocknete er sie ab, war zufrieden und schaute, bevor er die Toilette verließ, noch einmal in den Spiegel.
Nichts, aber auch gar nichts, war ihm anzusehen. Er schaffte es perfekt, sein wahres Ich hinter einer Maske zu verstecken. Mit sich und seinem Schicksal zufrieden betrat er den Gang, ging vorbei an dem Pfeifenraucher und setzte sich in sein Abteil. Schlafen würde er nicht mehr. In nicht mal einer halben Stunde lief der Zug in Toulouse ein, wo er zunächst etwas essen wollte.
Das Bahnhofsrestaurant hatte bereits geöffnet. Er schlenderte darauf zu und dem Geruch frischer Backwaren entgegen. Im Stehen aß er ein Croissant, trank eine Schale mit Kaffee leer und machte sich wieder auf den Weg.
Es gab auch eine Zugverbindung, aber nicht direkt bis Alet-les-Bains. Da würde er dann mit dem Bus hinfahren müssen. Das gefiel ihm nicht, so blieb er bei seinem Entschluß, sich einen Wagen zu nehmen, und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Auf einem düsteren Parkplatz nahe des Bahnhofs begann er mit der Sucherei. Die Fahrzeuge waren alle neu, und sie waren verschlossen, was ihn ärgerte.
Als er die junge Frau in einem roten Kleinwagen sah, tauchte er unter. Sie suchte einen Parkplatz, fuhr in seine Nähe und rangierte den Wagen in eine Lücke.
Als sie ausstieg, war Carlos bereits da und auch hinter ihr. Er schlug zweimal zu. Beim zweiten Treffer knallte die Frau noch gegen die Dachkante. Sie brach in der Lücke zwischen zwei abgestellten Fahrzeugen zusammen, und Carlos rollte sie unter ein
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