094 - Die Schleimigen von Ghost Valley
die
Hand mit dem Flachmann herunterzunehmen. Sekundenlang wirkte er wie
versteinert. Dann brachte er die Hand zitternd nach unten und gab die Flasche,
auf der kein Etikett klebte, an den Russen weiter, der schnell danach griff.
»Gut, was, Towarischtsch?« Masters wusste nicht, ob er nicken oder den Kopf schütteln sollte. »So ... scharf ... was ist
... da drin ?« Er schnappte nach Luft und krächzte wie
ein Rabe. Man hatte Mühe, ihn zu verstehen. »Keine Ahnung. Vermute, dass 'ne Menge scharfer Gewürze drin sind. Pfeffer,
Tabasco, Chili und solch feine Sachen ... Hab 'ne Drei-Liter-Flasche von einem
Bekannten geschenkt bekommen. Ich füll zu Hause immer einige Tropfen davon in
einen Flachmann. Mein Bekannter ist Mexikaner und stellt solche Sachen her. Er
nennt es Tequila mexikanisch . Immer erst nach Einbruch der Dunkelheit zu
genießen .«
»Kann ich mir gut vorstellen ...«, flüsterte Masters heiser, der
immer noch Schwierigkeiten mit seiner Stimme hatte. »Tagsüber haut's einen glatt um ... da hat man's abends bequemer,
wenn gleich ein Bett neben einem steht ...«
●
Die Schatten wurden länger. Die Sonne sank schnell und es wurde
auch sofort merklich kühler. Larry und Iwan waren auf die Idee gekommen, noch
mal in das Treibstofflager zurückzukehren. Richard Masters begleitete sie bis
dorthin. Jeder nahm zwei gefüllte Benzinfässer an sich, die sie zu ihrem
Lagerplatz rollten.
»Das kann uns unter Umständen wertvolle Dienste leisten«, war
Larrys Überzeugung. »Wenn sie herankommen und wir keine andere Möglichkeit mehr
sehen, richten wir eine Feuerwand zwischen ihnen und uns auf .« Dann begann das Warten. Die Dunkelheit brach herein. Lucy bereitete aus den
mitgebrachten Konserven etwas zu essen. Iwan Kunaritschew würzte das
Bohnen-Speck-Gericht nach und aß mit großem Appetit. Ralf Ortner und Angelika
Schenk lagen nebeneinander auf dem Boden. Sie wurden in Wolldecken
eingeschlagen und zugedeckt. Eine Stunde verstrich.
Eine zweite. In den Hallen, deren dunkle Silhouetten sich unter
dem sternenklaren Himmel abzeichneten, blieb alles ruhig. Nichts rührte sich.
Niemand kam. Dann aber ereignete sich etwas, womit niemand gerechnet hatte.
Plötzlich erscholl Musik. Laut und klar tönte Glen Millers In the little streets of Singapore aus der
mittleren Halle.
●
Larry, Iwan, Richard Masters und seine Schwester erhoben sich.
X-RAY-3 und X-RAY-7 näherten sich der Halle. Sie führten lange Eisenstangen
mit, um sich zur Wehr setzen und die Unheimlichen, falls sie auftauchten, auf
Abstand halten zu können. Lucy und Rich blieben zurück und klammerten sich an
die gleichen Stangen, die sie aus der Lagerhalle geholt hatten. Larry und Iwan
bereitete es keine Schwierigkeiten, auf die Höhe des Fensters zu kommen, aus
dem die Musik drang.
Das Fenster war geöffnet, sanfter Lichtschein fiel heraus und
schuf auf dem Boden unter dem Fenster ein helles Quadrat. Die Halle, in der
sich das erleuchtete Fenster befand, lag rund dreißig Meter von dem Gebäude
entfernt, in dem sich am Nachmittag die unheimliche Begegnung abgespielt hatte.
Beide Hallen waren durch einen geschlossenen Korridor miteinander verbunden.
Larry Brent spähte vorsichtig durchs Fenster. Der Raum war wohnlich
eingerichtet und stellte eine Mischung zwischen Büro und Wohnzimmer dar. In
einem Regal rechts an der Wand waren viele Bücher untergebracht. In einer Ecke
daneben standen eine Stehlampe, ein kleiner runder Tisch und zwei gepolsterte
Sessel. Es war eine gemütliche Ecke. Neben dem Sessel waren auch Radio und
Plattenspieler zu erkennen. Die Platte drehte sich. Es war ein altmodisches
Gerät, ein Wechsler, mit dem man noch zehn Platten hintereinander abspielen
konnte.
Larry Brent und Iwan Kunaritschew sahen durch das Fenster zwar
keine Person, die sich die Musik anhörte, aber sie beobachteten den
Plattenwechsel. Die nächste fiel herab, der Tonarm schwang wieder nach vorn und
die neue Platte war zu vernehmen. Wieder ein Glen-Miller-Song aus den vierziger
Jahren. Die beschwingte Melodie von Little brown Jug , dem kleinen braunen Krug, tönte durch die
Einsamkeit und Stille. Die beiden Agenten beschlossen, dieser Merkwürdigkeit
nachzugehen. »Das Ganze sieht aus wie eine Falle, Towarischtsch«, flüsterte
X-RAY-7. »Da scheint uns jemand ins Haus locken zu wollen .«
»Geisterindianer, die eine Vorliebe für Glen-Miller-Tanzmusik
haben, sind mir bisher noch nicht begegnet. Wir sollten gegenseitig ein Auge
auf uns
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