0947 - Das Voodoo-Weib
Gebilde, in das hinein Gesichter, Gestalten und Szenerien tauchten. Der Trank brauchte noch eine Weile, um seine volle Wirkung entfalten zu können, damit die Frau in Höhen geschafft wurde, wie sie anderen Menschen nicht zugänglich waren.
Für Leonora war es wunderbar und entspannend. Kein Verkrampfen der Muskeln mehr.
Sie lag auf ihrer Unterlage, die Arme leicht gespreizt, die Beine ebenfalls, und selbst von der dünnen Kleidung schien sie befreit zu sein, denn der Stoff war für sie nicht mehr vorhanden.
Die andere Realität kam allmählich rüber. Sie griff nach ihr. Das normale Bewußtsein floß weg. Grenzen wurden gesprengt, sie konnte sich den Dingen öffnen, die sie so liebte, und sie merkte, daß sie kein Mensch mehr war. Ihr Körper lag zwar auf der Unterlage, doch spüren konnte sie ihn nicht mehr.
Geist und Körper trennten sich nicht mehr, und es war ihr gelungen, die normale Realität hinter sich zu lassen und einzutauchen in die Unwirklichkeit der großen Träume, der gewaltigen Vorhaben, der anderen Seite des Diesseits.
Sie war stark, verfügte über Macht. Sie wußte, daß andere ihre Macht brechen wollten, und sie spürte die Kraft des Drachen in sich, die sie weiter, immer weiter trieb, hinein in die Zwischenwelten, wo die Phantasien der Menschen ihre Horte gefunden hatten. Die unterdrückten Sehnsüchte und Wünsche. Dort lag das, was der Mensch schon immer gesucht und gewollt hatte, und die meiste Zeit des Lebens blieb er auch dort begraben.
Nicht bei Leonora. Sie hatte es geschafft, diese Grenze zu überwinden und einzutauchen in die neue Zeit, die neue Welt, die so wundersam war.
Sie flog weg.
Ein Ziel gab es.
In ihrer Phantasie hatte sie es gesehen, und mit der Kraft der Phantasie wollte sie es zerstören. Dazu mußte sie wieder die Grenzen überschreiten, denn es mußte ihr einfach gelingen, das Irreale in die Wirklichkeit zu transportieren.
Es kostete sie Kraft. Die Ruhe des Körpers verschwand. Leonora bewegte sich auf der Unterlage zuckend hin und her. Sie stöhnte, ihre Hände blieben nicht mehr neben dem Körper liegen, sondern glitten über ihn hinweg. Drückten die Brüste zusammen, spielten mit den dunklen Warzen und fuhren hoch zum Gesicht, über das sie ebenfalls hinwegstrichen. Leonora merkte, daß die Gefahr diesmal stärker war. Es gab jemanden, der ihre real gewordenen Phantasien zerstören konnte. Gefährliche Waffen warteten auf sie, aber in ihrem Leben hatte sie noch nie aufgegeben. Sie mußte die Verfolger töten, zumindest aber fangen, denn niemand sollte das Geheimnis der Voodoo-Frau erfahren.
Sie atmete nicht mehr, sie keuchte. Das Gesicht glänzte, als wäre es mit Öl eingerieben worden. Die helle Haut erinnerte noch mehr an die einer Leiche, und das Keuchen verwandelte sich in ein regelrechtes Röhren. Der Mund mit den schmalen Lippen verzerrte sich zu einem Maul. Sie durchwühlte das Bett, warf sich von einer Seite zur anderen. Aus ihrem Mund strömten die alten Bannsprüche, die unheimlichen Formeln, die nur wenigen bekannt waren, und plötzlich hatte sie den Eindruck, alles zu sehen, einfach alles, auch ihre Verfolger…
***
Wir starrten auf das Netz!
Es hing zwischen den Bäumen, als hätten es Geister innerhalb von wenigen Sekunden geflochten. Es bestand aus hellen Maschen, in denen Gefüge Funken zitterten, und keiner von uns wollte behaupten, daß dies normales Licht war.
Wenn jemand ein Netz spannte, dann wollte er damit etwas erreichen. Er wollte Gefangene machen, und diesmal sollten wir an der Reihe sein, denn es war so gespannt worden, daß es uns von allen Seiten umgab. Feine Maschen boten kaum Fluchtraum, und das Netz bestand zudem nicht aus einem gebräuchlichen Material, sondern einfach nur aus Licht.
Es bewegte sich nicht - nicht mal im Wind.
Es stand da und schien darauf zu warten, daß wir etwas unternahmen. Suko hatte seine Dämonenpeitsche gezogen, und die drei Riemen ausfahren lassen, während ich mich noch neutral verhielt.
Anders Bayou. Bei ihm brachen Urängste durch. Er hatte sich nur schwer in der Gewalt, bis er mich unbedingt anfassen mußte, um Körperkontakt zu bekommen. Er umklammerte meinen rechten Arm und schüttelte mich durch. »Verdammt noch mal, das ist es, Sinclair. Das ist ihre Botschaft. Sie hat sie uns geschickt. Sie will, daß wir hineingehen. Sie will uns mit diesem Netz fangen. Es soll über unseren Köpfen zusammenfallen und uns zerstören.«
»Das weißt du genau?«
»Ich kenne ihre Macht.«
Suko sah
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