0951 - Die Exorzistin
dick auf die Hörnchen, trank hin und wieder einen Schluck Kakao, und wir sahen ihr an, wie sie durchwärmt wurde. Das heiße Getränk tat ihr sichtlich gut, und auch die Augen bekamen wieder den alten Glanz zurück.
Wir ließen sie mit den Fragen in Ruhe, obwohl diese mir auf der Seele brannten.
Was hatte Marion erlebt, daß sie zu uns getrieben wurde? Ich wußte es nicht, konnte es auch nicht raten. Es war alles völlig aus dem Ruder geraten, und ich merkte allmählich, daß ich ungeduldig wurde. Es lag etwas in der Luft, das spürte ich. Die Vorahnung, die mich immer bei einem neuen Fall überkam. Sollte das Grauen oder der Schrecken auch weiterhin an den Füßen des Mädchens kleben? Bestimmt, denn sonst wäre es nicht zu uns gekommen.
Marion Bates hatte wirklich Hunger und Durst gehabt, und Glenda hatte wiederum an alles gedacht und ihr auch Servietten mitgebracht. Sie nahm eine davon und wischte sich damit die Lippen ab.
Danach leerte sie noch den Rest aus der Tasse, wobei es ihr nichts ausmachte, daß ein brauner Streifen auf ihrer Oberlippe zurückblieb.
»Bist du satt?« fragte Glenda.
Das Mädchen nickte. »Ja, ich bin satt. Es hat richtig gutgetan, und ich friere auch nicht mehr.«
»Das ist gut«, sagte Glenda, bevor sie Marion umarmte, die rote Wangen bekommen hatte und einen zufriedenen Eindruck auf uns alle machte. Sicherlich war sie jetzt in der Lage, einen Bericht abzugeben, und wir warteten gespannt darauf, wobei wir mit einer Frage begannen, die ich ihr stellte.
»Du bist also nicht nur zu uns gekommen, um mal kurz einen guten Tag zu wünschen.«
»Nein, John, das bin ich nicht.«
Ich hatte mich so auf die Schreibtischkante gesetzt, daß ich sie anschauen konnte. »Hast du wieder etwas erlebt? Hängt es mit deiner verstorbenen Mutter zusammen?«
»Nein, damit nicht. Es geht aber um eine Frau. Sie stammt aus dem Kloster, und ich glaube nicht, daß sie eine Nonne ist. Vielleicht eine Besucherin.«
»Okay, wir hören zu.«
Das Mädchen vertraute uns voll und ganz. Sie ließ nichts aus. Sie berichtete in allen Einzelheiten und so bildhaft ihre Erlebnisse, daß wir das Gefühl hatten, die Kälte des Waldes zu spüren, die in die Kleidung des Mädchens gekrochen war.
Sehr genau hörten wir zu, und sie berichtete auch von ihrer Busfahrt nach London, die sie in einem fast leeren und kalten Bus erlebt hatte. Dann war sie noch mit der U-Bahn gefahren und trotz allem ziemlich früh bei uns gewesen.
Jetzt saß Marion da wie ein braves Schulkind. Sie hatte die Hände in den Schoß gelegt. »Nun erwartest du von uns, daß wir dir etwas dazu sagen.«
»Ja, Suko. Deshalb bin ich gekommen. Ich will auch nicht mehr allein in das Kloster zurück. Diese Frau macht mir Angst.«
»Heißt sie Angelina?«
»Das habe ich gehört. Und der Mann heißt Walt, aus dessen Mund dieser Qualm kroch.«
»Hat er nach etwas gerochen?«
»Nein, überhaupt nicht. Er kam auch erst, nachdem das Wasser auf das Gesicht gespritzt ist.«
»Stimmt, das hast du uns gesagt.« Suko schaute mich an. »Was meinst du, John?«
Ich hob die Schultern. Eine Antwort hatte ich nicht parat. Ich wußte beim besten Willen nicht, wie sich die Dinge exakt verhielten. So konnten wir nur folgern und raten. Deshalb sagte ich leise:
»Normales Wasser wird es nicht gewesen sein, denke ich.«
Suko stimmte mir zu.
»Weihwasser«, sagte Glenda.
»Meinst du wirklich?« flüsterte Marion.
Glenda nickte. »Ja, das kann nur Weihwasser gewesen sein, denke ich. Und diese Frau muß so etwas wie eine Exorzistin gewesen sein. Sie hat Dämonen aus dem Leib des Mannes getrieben, den sie zuvor niederschlug. Ich habe Marion gut zugehört und bin deshalb der Meinung, daß sich beide gekannt haben.«
»Stimmt«, gab ich zu, und auch Suko nickte.
Glenda lächelte uns spöttisch an. »Und alles spielt sich in der Nähe eines Klosters ab. Wenn das nicht zu denken gibt.«
»Da hast du recht«, murmelte ich.
»Wie meinst du das?« fragte Marion. »Was ist denn eine Exorzistin?«
»Eine Frau, die besondere Aufgaben übernimmt«, erwiderte ich ausweichend. »Du hast beide Namen gehört. Einmal Angelina, die Frau aus dem Kloster, aber da war noch der Name Walt. Hast du nur ihn gehört oder auch den Nachnamen?«
»Nein, nur den Vornamen.«
»Gut«, sagte ich und fügte hinzu: »Dann müssen wir also nach einem Walt fahnden.«
»Oder selbst hinfahren«, sagte Suko. Sein Lächeln sprach Bände. Er plädierte dafür.
Ich war einverstanden, aber eine Frage
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