0951 - Die Exorzistin
es uns gelang, einige Male ihr Profil zu erkennen. Das Gesicht zeigte einen dunklen Glanz. Für uns ein Zeichen, daß sich die Poren wieder geöffnet hatten und die Frau dabei war, erneut Blut zu schwitzen. Auch das war nicht normal, und mir kam der Gedanke, in ihr ebenfalls eine Besessene zu sehen.
War sie das? Wenn ja, von wem?
Ihre Stimme war kaum noch menschlich zu nennen. Sie schrillte, sie brach durch. Sie geisterte der Decke entgegen und floh als Echo die Stufen der Treppe hinauf.
Die auf den Dochten tanzenden Flammen begannen zu zittern. Sie bewegten sich, sie beugten sich vor, auch zur Seite, sie stellten sich wieder hin, als wäre ein Geist dabei, durch diesen Keller zu fahren. Und sie schufen ein fleckiges Muster auf den Boden und die Wände. So hauchten sie auf ihre Art und Weise diesem Kellerraum ein gespenstisches Leben ein.
Das runde Gefäß mit dem Weihwasser hielt sie in der rechten Hand. Noch schwenkte sie den Arm nicht, er zitterte nur im Rhythmus der Kopfbewegungen mit.
Aber sie änderte dies.
Plötzlich schwang sie den runden Kessel nach vorn. Das Weihwasser spritzte aus den Öffnungen.
Treffer.
Es regnete auf die vier Männer nieder, die zwar die Arme erhoben hatten, sich aber nicht vor den Tropfen schützen konnten. Sie wurden erwischt, sie schrieen auf, aber sie lachten auch. Öder waren es andere Geräusche?
Ich wußte es nicht.
Ich sah sie nur am Boden liegen, sich dabei winden, und ich dachte daran, daß sie zwar die Botschaft der Hölle aufgenommen und für sich angewendet hatten, im Prinzip aber waren sie keine Dämonen, sondern noch immer Menschen, auch wenn sie zu den Satanisten gehörten.
Wir konnten nicht zusehen, wie Menschen starben.
Und deshalb liefen wir vor!
***
Niemand hatte auf uns geachtet, selbst die Oberschwester nicht, die von dem Geschehen ebenfalls eingefangen worden war und nur den Sieg erleben wollte.
So brachte sie es auch nicht fertig, uns aufzuhalten. Wir glitten an ihr vorbei, hatten auch die anderen Nonnen hinter uns gelassen und betraten den Käfig.
Vor uns tobte Angelina. Sie war nicht aufzuhalten. Sie bewegte sich hektisch, sie schrie ihre ehemaligen Peiniger an und schwang das Kugelgefäß mit dem Weihwasser.
Wir wollten sie stoppen.
Ich war etwas schneller als Suko. Mein ausgestreckter Arm berührte zuerst ihre rechte Schulter, dann glitt meine Hand weiter, um den Arm festzuhalten, das aber gelang mir nicht mehr, denn Angelina hatte gespürt, was mit ihr geschehen sollte.
Sie riß sich wütend frei. Dabei ging sie nach vorn, und ich hielt plötzlich den Stoff des Mantels zerknautscht zwischen meinen Fingern. Er hatte sich durch den Griff gelöst, war von ihrem Körper geglitten, und wir starrten plötzlich auf eine nackte Frau.
Ein gellender Schrei erreichte uns. Die Oberin hatte ihn ausgestoßen. »Was macht ihr da!« brüllte sie und stürmte nach vorn, um uns zu behindern.
Suko nahm sich ihrer an. Er stand da wie ein Felsblock, als die Oberin in seine Arme lief. Und Suko hielt sie fest.
»Neinnn…«
Ich kümmerte mich nicht um die tobende Person, denn sie war bei Suko gut aufgehoben. Für mich war Angelina wichtige, deren Rücken ich bisher nur gesehen hatte.
Nun aber drehte sie sich um. Sie heulte dabei auf.
Dann stand sie vor mir.
Ich starrte auf ihren Körper.
Mein Gott, dachte ich nur!
***
Es war für mich nicht faßbar, wer ihn so gezeichnet hatte. Es mußten die Männer gewesen sein oder irgendeine andere Kraft, die von ihnen ausgegangen war, denn der nackte Körper zeigte sich teilweise verändert, wenn nicht sogar zerstört. Der Körper schien zu verfaulen. Und im Gesicht blutete sie.
Wir standen uns gegenüber. Sie hatte alles andere vergessen. Auch Suko war es gelungen, die Oberin ruhigzustellen, so konnte ich mich voll und ganz auf Angelina, die Exorzistin, konzentrieren.
»Wer bist du?« fragte ich sie.
Mit der freien Hand wischte sie etwas Blut von der Stirn und leckte es dann von ihren Fingern ab.
»Wer bist du?«
»Vielleicht kämpfen wir gegen denselben Feind!«
»Ich kenne dich nicht.«
»Aber ich weiß viel von dir. Was ist mit dir geschehen? Weshalb befinden sich die Flecken auf deinem Körper? Warum blutet dein Gesicht?«
Da in ihren Augen so etwas wie Unruhe entstanden war, glaubte ich, auf der richtigen Fährte zu sein. Angelina aber senkte den Kopf und schaute dorthin, wo ihr schlichtes Holzkreuz auf dem Boden lag.
»Willst du es haben?« fragte ich.
Sie gab mir keine Antwort.
Ich bückte mich
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