Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0953 - Der Fluch von Eden

0953 - Der Fluch von Eden

Titel: 0953 - Der Fluch von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
Vom Netzwerk:
schulterlangem Haar umrahmt; ein Gesicht, in dem große dunkle Augen dominierten und ein zart geschwungener Mund, der auch zu einem Mädchen gepasst hätte. Nikolaus hatte Grübchen am Kinn und solche in den Wangen, die nur zum Vorschein kam, wenn er lachte. Und das tat er oft.
    Nele war überzeugt, dass er sie schon früh bemerkte, zunächst aber so tat, als würde er nicht auf das Geschwisterpaar, das sich dem Brunnen näherte, aufmerksam.
    Erst als Julius dicht vor ihr trat, dabei Nele an der Hand mit sich zog, schaute er zu ihnen.
    »Hallo«, sagte Julius.
    »Hallo«, sagte Nikolaus, wobei er Nele ansah.
    »Hallo«, sagte auch sie. Sie hatte das Gefühl, beschämt zu Boden blicken zu müssen, doch sie schaffte es, dem Blick des Jungen standzuhalten. Er ging ihr durch und durch. Ihr Herz fing schneller an zu schlagen. Sie ließ Julius' Hand los.
    Ihr Bruder räusperte sich und sagte: »Da bin ich wieder.«
    »Ich freue mich«, sagte Nikolaus. »Musstest du wegen ihr noch mal zurück?«
    Julius nickte.
    »Ich bin froh, dass du es getan hast.«
    »Warum?«
    »Weil ich deine Freundin sonst vielleicht nicht kennengelernt hätte.«
    »Sie ist nicht meine Freundin.« Julius verzog das Gesicht.
    »Nein?«
    »Ich bin seine Schwester. Ich heiße Nele«, stellte sie sich vor. »Und du bist Nikolaus.«
    Er lächelte nur gegen die Sonne, ohne die Augen zu beschatten. »Wir haben dasselbe Initial«, sagte er. »Ich achte auf solche Dinge.«
    Hätte er es nicht gesagt, wäre es ihr kaum aufgefallen, zumindest nicht so schnell.
    Sie schwieg.
    »Ihr habt keine Eltern mehr, sagte dein Bruder.«
    Sie nickte.
    »Sucht ihr einen Platz, wo ihr sicher vor Nachstellungen seid? Ihr wisst schon.« Er zeigte zu dem Gewimmel von Leuten, das an ihnen vorbeiströmte. Immer wieder taxierten Blicke die Gruppe beim Brunnen, die wenigsten wirkten wohlwollend.
    »Gibt es einen solchen Platz denn in Köln?«, fragte Nele zweifelnd.
    »Wer sagt, dass ich von Köln rede?«, erwiderte er rätselhaft. »Wenn ihr reinen Herzens seid wie ich und sie…« Er wies zu den anderen Kindern und Jugendlichen, die bei ihm waren und die Neuankömmlinge beäugten. »… werden wir ihn uns erschaffen . Aber noch sind wir zu wenige. Ich stehe erst am Anfang meiner Mission.«
    Seine Augen leuchteten heller als die Sonne, während er das sagte.
    Nele bekam eine Gänsehaut. Die Art, wie Nikolaus zu ihr sprach, schürte eine Erwartung, von der sie nicht sicher war, ob sie tatsächlich ihrem geheimsten Wollen entsprach - und ob es gut für sie wäre, ihr nachzugeben.
    Auch Julius starrte Nikolaus an, als wäre er bereit, ihm nach überallhin zu folgen. Wobei der Grund für ihn nebensächlich schien.
    »Was für eine Mission soll das sein? Und von wem wurde sie dir aufgetragen?«
    »Von dem Einzigen, der zählt«, sagte Nikolaus. »Von Gott.«
    ***
    Nele und Julius setzten sich zu Nikolaus auf die Stufen, und zumindest Nele merkte gar nicht, wie die Zeit verflog, während der Junge mit der Aura eines Heiligen ihr Rede und Antwort stand - ja, hauptsächlich ihr, denn Julius war viel zu schüchtern, um viel zu sagen, und die anderen aus der Schar schienen all das, was Nikolaus vortrug, schon mehr als einmal gehört zu haben - wenngleich sie ihm immer noch an den Lippen hingen.
    Nele erfuhr, dass Nikolaus erst vor wenigen Wochen im Traum von Gott erfahren hatte, welche Rolle der Allmächtige ihm zugedacht hatte. Womit klar wurde, dass er bei ihrer ersten Begegnung noch nicht von dem Verlangen beseelt gewesen war, ein Fanal zu entzünden, dessen Botschaft die ganze Welt durcheilen würde.
    Aber zugleich war das, was er an Vision heraufbeschwor, auch so groß und gewaltig, dass sich Nele hin- und hergerissen fühlte, ob ein solches Unterfangen von Erfolg gekrönt sein konnte.
    Für Nikolaus selbst schien es keine Frage zu sein. Er glaubte an sein Vorhaben - wie Nele noch niemals zuvor jemanden an etwas glauben gesehen hatte.
    Nikolaus war überzeugt, Gott habe ihn auserwählt, um…
    Sie schluckte.
    ... um die heilige Stadt Jerusalem von den Ungläubigen zurückzuerobern und der Christenheit zurückzugeben.
    Der letzte Versuch, die heiligen Stätten mit einem Ritterheer von den Muslimen zu befreien, war erst wenige Jahre zuvor gescheitert; es war schon der vierte Kreuzzug der Geschichtsschreibung gewesen, wie Nele wusste, und er war hauptsächlich von Franzosen und Venezianern initiiert worden. Zehntausend Mann sollten mit über zweihundert Schiffen von den Ungläubigen

Weitere Kostenlose Bücher