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0953 - Der Fluch von Eden

0953 - Der Fluch von Eden

Titel: 0953 - Der Fluch von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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sein?«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Er hat Tote zu einem Scheinleben erweckt - mit irgendeiner Substanz, sagst du?«
    » Sie sagen es. Und ich sah sie, ja.«
    »Dann könnte es sein, dass er, nachdem er dich heilte, weitermachte.«
    »Es ist sogar sicher so. Das geheime Kellerlaboratorium!«
    »Ja, ja! Vielleicht suchte er etwas für sich selbst, etwas, das er zuerst an Toten probierte und ganz zuletzt…«
    »… an sich?«
    Nikolaus nickte.
    »Und was?«
    »Viele Menschen neiden den Kindern die Jugend«, sagte Nikolaus, »und das Leben, das noch vor ihnen liegt. All die vielen Jahre. Sie geben es selten zu, vielleicht nie, aber es rumort in jedem Manne und in jedem Weib, sobald sie in ein gewisses Alter kommen.«
    »Woher weißt du das alles?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es eben.«
    »Und mein Vater?«
    »Vielleicht wollte er den Tod betrügen, sein Leben verlängern - doch was bei Toten Leben weckte, muss nicht unbedingt auch ihm bekommen sein. Er scheint es in jener Nacht gewagt zu haben, seinen Trank an sich selbst zu testen. Leider bescherte es ihm das Gegenteil von einem langen Leben.«
    Ihre Blicke verschmolzen miteinander. Für einen Moment hatte Nele das Gefühl, zum ersten Mal ansatzweise zu verstehen, was in ihrem Zuhause passiert war - den Auslöser, ab dem alles in die Brüche gegangen war.
    »Vielleicht war es so«, sagte sie.
    »Ja, vielleicht.«
    »Und du siehst wirklich keine Hexe in mir?«, fragte sie, nun sogar kaum hörbar für ihn.
    Aber er schien ihr jedes Wort von den Lippen abzulesen. »Ganz gewiss nicht. Ich sehe eine Seelenverwandte.«
    Sie spürte, wie ihr Herz einen Freudensprung machte. Lächelnd setzte sie sich zu ihm auf die Stufen.
    Fortan wich sie ihm kaum von der Seite. Julius war ohnehin fasziniert von Nikolaus und dessen Ideen. Vielleicht sah er auch den großen Bruder in ihm, den er schon immer gerne gehabt hätte. Letztlich war es gleich, was genau ihn bewog, dem lockigen Jüngling mit dem Auftrag des Allmächtigen bei jedem Wort an den Lippen zu hängen - er tat es, wurde zu einem seiner treuesten Anhänger.
    Bei Nele spielte von Anfang an noch etwas anderes mit. Sie war zwar ebenfalls fasziniert von Nikolaus' göttlicher Mission, aber darüber hinaus mochte sie ihn auch einfach so, wie ein Mädchen einen Jungen mögen konnte. Sie hatte sich in ihn verliebt und - wie sich herausstellte - er auch in sie. Sie knüpften erste zärtliche Bande, wenn sie einmal ein wenig für sich waren, was selten genug vorkam, vornehmlich nachts, wenn die anderen schliefen. Oft trafen sie sich im Mondenschein und sprachen über Dinge abseits des Kreuzzugs, den Nikolaus von Tag zu Tag zielstrebiger anging.
    Er hatte aufgehört, seine Botschaft nur im Kleinen zu verbreiten. Der innere Zirkel seiner Anhängerschaft umfasste nur wenige Dutzend, als er zum ersten Mal wirklich öffentlich auftrat. Der ideale Ort dafür war einer der Marktplätze der mächtigen Stadt. Dort hielt er im Juli 1212 seine erste Rede vor den Augen und Ohren der Kölner. Er sprach unmittelbar zu den Halbwüchsigen und Kindern, was für Unmut und Missfallenskundgebungen unter den Erwachsenen führte. Aber erstaunlicherweise - und davor hatte Nele ihn eindringlich gewarnt - blieb sein Aufruf an die Reinen und Unschuldigen ungeahndet.
    Nach diesem ersten öffentlichen Auftritt verdreifachte sich seine Anhängerschaft fast über Nacht, und ein jeder seiner »Jünger«, wie sie sich selbst in Anlehnung an die Christus-Geschichte nannten, rekrutierte in der Folge auch selbst neue »Soldaten« für das kindliche Heer .
    Binnen weniger Wochen wuchs die Schar der zum Aufbruch bereiten Kreuzfahrer auf mehrere Hundert an, und aus dem Umland und den nahen Städten, wohin sich Nikolaus' Wirken herumgesprochen hatte, strömten zusätzliche Hunderte heran - wobei nicht alle, die sich seiner Idee einer gewaltlosen Rückeroberung Jerusalems unterwarfen, Kinder waren. Nach und nach mischten sich auch Erwachsene darunter, was Nele missfiel. Sie fürchtete Ausschreitungen und eine Verfälschung des reinen Gedankens. Nikolaus hingegen hieß jeden in ihren Reihen willkommen, der ihm glaubhaft machen konnte, dass sich ihre hehren Ziele deckten.
    Eine andere Angst von Nele war es, dass sie die geheimen Inquisitoren aufmerksam machen und zum Einschreiten provozieren könnten. Sie hatte ganz persönliche Sorge, irgendwo Wenzel wiederzutreffen, der sie erkannte und zusammen mit Julius gefangen setzen und bestrafen würde.
    Doch die

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