0960 - In den Nebeln
die Pflanzen bewegten sich zu schnell und waren zu zahlreich. Sekunden später hing auch er in der Luft und konnte sich nicht mehr rühren.
»Na großartig«, murmelte Asmodis. »Und wie sollen wir jetzt hier rauskommen?«
»Du bist doch derjenige, der uns überhaupt erst in diese Lage gebracht hat«, gab Fu Long zurück.
»Wer hat denn diese Höllenschlampe hier angeschleppt?«
»Sie hat mich hierher gebracht. Um mir zu beweisen, dass du mich hintergehen willst.«
»Und du bist einfach so mitgegangen, obwohl du keine Ahnung hast, wer oder was sie ist?«
»Du warst ja anscheinend sogar dazu bereit, dich sofort von ihr vernaschen zu lassen, und jetzt siehst du, was wir davon haben. Bei dir muss eine Frau offenbar nur mal kurz mit den Wimpern klimpern, damit du völlig den Verstand verlierst.«
»Es waren weniger ihre Wimpern, sondern in erster Linie ihre großen…«
Bevor er den Satz beenden konnte, schimmerte die Luft, und plötzlich stand eine athletisch gebaute, goldhäutige Gestalt vor ihnen. Sie trug keinerlei Kleidung, um wenigstens in Ansätzen zu verhüllen, dass sie eindeutig weiblich war. Sie strahlte die Eleganz und Selbstsicherheit einer großen Raubkatze aus, was durch ihre klauenbewehrten Hände und Füße, die spitzen Eckzähne, die wilde Mähne und die leicht schräg gestellten glühenden gelben Augen noch zusätzlich betont wurde. Sie grinste und ließ dabei die Zähne aufblitzen. »Du wolltest doch sicher ›Augen‹ sagen, oder?«
»Wer zum Henker ist denn das jetzt wieder?«, rief Asmodis frustriert aus.
»Ich denke, das ist deine vollbusige Schönheit und meine Chinesin«, meinte Fu Long wesentlich ruhiger.
»Was?«
Die goldene Frau seufzte theatralisch. »Ich hatte dich für klüger gehalten, Asmodis. Aber vermutlich ist dein ganzes Blut bei unserer ersten Begegnung aus deinem Kopf in… andere Regionen deines Körpers gerauscht.« Sie kicherte und klang dabei auf irritierende Weise wie ein kleines Schulmädchen.
»Sie scheint eine Art Gestaltwandlerin zu sein«, half Fu Long dem Erzdämon auf die Sprünge. »Allerdings erklärt das nicht, warum wir sie unterschiedlich wahrgenommen haben, während wir sie gleichzeitig sahen.«
»Eine Frau muss eben ihre kleinen Geheimnisse haben«, trällerte sie.
»Vermutlich liegt das am Nebel«, murmelte Asmodis vor sich hin. »Der geht mir ohnehin auf die Nerven, also können wir ihm genauso gut die Schuld für alles geben. Auch für Gestaltwandler mit Zusatzfunktion.«
Die goldene Frau zog einen spöttischen Schmollmund. »Ganz so dumm bist du also doch nicht. Aber trotzdem dumm genug, um in meine Falle zu tappen.«
Asmodis schnaubte. »Tja, das hat man wohl davon, wenn man mal was Gutes tun und die Hölle wiederherstellen will.«
***
Lea erstarrte für eine Sekunde innerlich, ließ sich aber nichts anmerken. Asmodis und der Fürst der Finsternis wollten die Hölle wiederherstellen? Deswegen waren sie hergekommen? Sie hatte in Asmodis' Geist gesehen, dass er seinen Fehler, die Hölle zerstört zu haben, wiedergutmachen wollte. Doch sie hatte darin keine Gefahr gesehen und diese Spinnerei nicht weiter ernst genommen. Die Hölle selbst neu zu erschaffen, oder zumindest ein Äquivalent, das wie der Nebel aus schwarzmagischen Energien bestand und den Dämonen eine neue Heimat bieten konnte, erschien ihr nicht ganz so abwegig. Sie wusste nicht, ob diese beiden mächtigen Wesen irgendwie dazu in der Lage sein mochten, doch wenn es ihnen gelang, stand eines fest: Sie würde alles verlieren. Sie konnte nur deswegen über die Dämonen, die sich hier einfanden, herrschen, weil es die Hölle nicht mehr gab, und ihre ehemaligen Bewohner jemanden brauchten, vor dem sie sich fürchten und den sie gleichzeitig verehren konnten, so wie sie einst LUZIFER verehrt hatten. Sein Ende, das gleichzeitig den Untergang der Hölle bedeutet hatte, war der Grund für ihre neu erlangte Macht. Sie wollte diese Macht um keinen Preis wieder hergeben, dafür fühlte sie sich einfach zu gut an.
Doch wenn die Hölle wieder neu entstehen sollte, wenn sogar LUZIFER womöglich wieder auferstand, dann war sie erledigt. Sie hatte sehr viel Macht erlangt, indem sie sich nach dem Untergang der Schwefelklüfte zur Herrscherin hier im ehemaligen London über die überlebenden Dämonen aufgeschwungen hatte, die sich hierher geflüchtet hatten. Es war leicht gewesen, diese verwirrten, orientierungslosen Kreaturen unter ihre Kontrolle zu bringen, aber das würde bei Weitem nicht
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