0982 - Die Kinder der Zeitsäufer
der Gosh? So wie Javier?«
Der Professor schüttelte den Kopf. »Glaube ich nicht. Das sind eher die Überreste der Menschen, von denen dir der Wirt erzählt hat.«
»Die Kinder der Zeitsäufer. Das kann sein. Nach der Legende hat Asmodis sie getötet und danach die Höhle versiegelt.«
»Zumindest, bis ein Erdbeben den Eingang aufbrach.«
Der Schotte wandte sich um und beäugte die zwölf Säulen, die - in drei Vierergruppen aufgestellt - die Gefängniszellen der Gosh bildeten. Oder gebildet hatten, soweit es die Pfeiler ganz außen betraf.
Auch auf ihnen waren Szenen voller Gewalt und Perversion dargestellt, die Dylan ein angeekeltes Kopf schütteln entlockten.
Er sah auf die abgesplitterte Säule und die Steinbrocken, die davor lagen. »Nicht nur den Eingang. Es hat auch einen der Dämonen befreit.«
Weiter links entdeckte er einen toten Hund und ging zu ihm. Die Zunge hing aus dem Maul, das Fell wirkte stumpf und struppig und die Augen bestanden aus gelblichen, trüben Murmeln. Wie auch Javiers Leiche zerbröselte das Tier unter Dylans Fingern.
»Und er scheint mächtig hungrig gewesen zu sein.«
Zamorra trat vor die intakten Gefängnisse.
Hernandez tauchte neben ihm auf. »Was sind das für Scheußlichkeiten?«
»Die in Zeitlosigkeit gegossenen Gosh, an die Sie nicht glauben.«
»Die können niemals echt sein!«
»Wie Sie meinen.« Er wandte sich dem Schotten zu. »Der Nebel zwischen den Säulen ist interessant.«
»Weil er auf den Raum dazwischen begrenzt ist?«, fragte Dylan.
Wie mit einem Messgerät sondierte Zamorra die Umgebung mit dem Amulett. »Nein. Von Pfeiler zu Pfeiler spannen sich magische Kraftfelder, die alles im Inneren einsperren.« Er bückte sich, hob eine Handvoll Staub auf und schleuderte auf das Gefängnis. Zwischen den Steinen stob dieser nach außen davon, als würde dort eine Glasscheibe verlaufen. »Siehst du?«
Dylan streckte die Finger aus. Wie der Staub stieß er auf Widerstand. Aber es war nichts zu fühlen. Weder Kühle noch Wärme. Kein Bitzeln oder Kribbeln in den Fingerspitzen. Nichts. Sie ließen sich einfach nicht mehr weiter ausstrecken und das war’s. Nur die Tribals auf seinem Armreif gerieten in aufgeregte Bewegung.
»Was ist dann das Interessante?«, wollte er wissen.
»Dass es sich gar nicht um Nebel handelt. Von so einem Zauber habe ich einmal gelesen. Die Säulen wirken wie Magnete. Einerseits ziehen sie die Lebensessenz aus dem eingesperrten Körper, dass dieser nur eine Hülle bildet, die nicht mehr altert. Auf der anderen Seite stoßen sie die Essenz aber auch ab, sodass sie dem auf den Innenraum beschränkten Gebiet nicht entkommen kann.«
»Lebensessenz?«
»Der Nebel. Er ist… Wie soll ich sagen? Wie eine Manifestation der dämonischen Seele.«
Der Schotte blickte zu dem leeren Gefängnis und der schiefen Säule. »Durch das Erdbeben wurde einer der Magnete beschädigt und das Gleichgewicht zwischen den Pfeilern zerstört.«
»Und dadurch konnte der Nebel, der ein Teil des Gefangenen war, entkommen. Wäre er gleich in seinen Körper zurückgekehrt, wäre er schwach gewesen. Deshalb hat sich die Lebensessenz den Hund geholt und den Leib gestärkt.«
»Genug jedenfalls, um sich danach erst Araminta und dann Javier zu schnappen. Grausig!«
Dylan lehnte sich vor und presste das Gesicht gegen die unsichtbare Barriere. Mit den Händen schirmte er links und rechts die Augen ab, als sehe er in ein Schaufenster.
»Suchst du was?«, fragte Zamorra mit amüsiertem Gesichtsausdruck.
»In der Tat! Ich frage mich immer noch, ob es sich bei diesen Zeitsplittern um die Seelenkristalle gehandelt hat.«
»Vor allem fragst du dich aber, ob sie noch hier sind.«
»Stimmt. Die Gosh wollten den Teufel töten. Es ging schief und er hat sie eingesperrt. Müssten die Zeitsplitter dann nicht auch noch hier sein?«
»Du hast recht. Außer…«
»Außer was?«
»Außer der Teufel hat sie zerstört oder mitgenommen oder die Kinder der Zeitsäufer haben sie später geholt oder ein Wanderer hat sie vor der Versiegelung der Höhle gefunden oder…«
»Ist gut, ich hab’s verstanden. Aber sie könnten hier sein. Also werde ich zumindest nach ihnen suchen.«
»Tu das! Ich sehe mich inzwischen im Rest des Tempels um.«
***
Hass brodelte in Surrosh.
Die Eindringlinge machten sich lustig über die heiligen Symbole auf den Säulen, betatschten den schwarz geweihten Opferstein und begafften seine Brüder, als wären sie Gäule auf einem Pferdemarkt in
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