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0987 - Das Seelenloch

0987 - Das Seelenloch

Titel: 0987 - Das Seelenloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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immer. Vielleicht etwas dunkel, weil die Wolken tief hingen. Aber alles andere hast du dir eingebildet.«
    »Das glaube ich nicht…«
    Karl Huber hustete einige Male. »Wieso weißt du das nicht?«
    »Wir sind doch nicht allein.«
    »Stimmt, stimmt. Allein sind wir nicht. Aber das ist nicht tragisch. Du denkst an meinen Vater, wie?«
    »Ja.«
    »Der ist tot.«
    »Trotzdem habe ich Angst«, flüsterte Gertrud.
    Karl Huber mußte an sich halten, um nicht laut loszulachen. »Du bist gut, wirklich. Wer tot ist, kann uns nichts mehr tun. Tot ist tot, verstehst du?«
    »Ja, schon«, gab sie zu. »Aber das kann mir trotzdem nicht gefallen. Irgendwo habe ich Angst.« Sie faßte nach rechts und umklammerte den Arm ihres Mannes. »Kannst du das nicht verstehen? Einen Toten im Haus zu haben, ist nicht jedermanns Sache.«
    »Ja, klar, aber früher war das immer der Fall. Da haben sie die Toten drei Tage und drei Nächte im Haus aufbewahrt und das Seelenloch geöffnet, damit die…«
    »Ich weiß es doch«, unterbrach Gertrud ihren Mann. »Das ist mir alles bekannt. Nur müssen wir von heute reden und nicht von früher. Die Zeiten sind vorbei:«
    »Für meinen Vater waren sie das nicht.«
    »Deshalb habe ich auch zugestimmt.«
    Karl Huber mußte plötzlich lachen. »Wenn das alles gewesen ist, was dich beunruhigt hat, dann bin ich zufrieden.«
    Sie schwieg. Vorerst zumindest. Dann aber mußte sie einfach etwas sagen, und es brach plötzlich aus ihr hervor. »Nein, Karl, das ist nicht alles, das ist wirklich nicht alles. Ich bin - verdammt, ich habe lange geschlafen, ich habe aber auch wach gelegen, und da ist…«
    »Was soll das heißen?«
    »Es war eine schreckliche Nacht, Karl.«
    Er mußte lachen. »So ein Unsinn! Wenn du doch lange geschlafen hast, kann es auf keinen Fall eine schreckliche Nacht gewesen sein. Du willst mir hier etwas vorlügen.«
    »Nein, will ich nicht.«
    »Was soll dann die Rederei?«
    Die Frau holte durch die Nase Luft. Dabei entstand ein schnaufendes Geräusch. »Ich will es dir erklären…«
    »Das hoffe ich auch.«
    Gertrud zog ihre Hand wieder zurück. »Bitte, Karl, sei nicht komisch. Ich habe wirklich Angst gehabt, und ich glaube nicht, daß ich alles geträumt habe.«
    »Wieso?«
    »Da ist jemand in unserem Haus gewesen!«
    Huber mußte lachen. »Wann? Hier bei uns? Auch in der Nacht?«
    »Ja.«
    »Was hast du denn gehört?«
    »Schritte, glaube ich.«
    »Hä?« Er lachte meckernd. »Schritte. Ich kann darüber nur lachen. Wer sollte denn zu uns kommen und etwas klauen?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Hier gibt es nichts zu stehlen.«
    Gertrud schwieg, was ihrem Mann aber auch nicht paßte, denn er fragte: »Oder denkst du dabei an meinen Vater? Daß er geklaut worden ist? Daß der unheimliche Leichenklau umgeht?«
    »Bitte, Karl, hör auf, darüber Scherze zu machen. Das kann ich nicht leiden. Da - da drehe ich dann durch. Ich möchte es einfach nicht. Diese Stunden waren wirklich schlimm. Ich habe sie im Schlaf erlebt und hatte trotzdem das Gefühl, wach zu sein. Ich bin damit nicht zurechtgekommen und grüble darüber noch immer.«
    Er atmete stöhnend, sammelte seine Gedanken und fragte dann: »Gut, Gertrud, was genau hast du gehört?«
    »Das weiß ich eben nicht.«
    »Hast du nicht von Schritten gesprochen?«
    »Ja, aber da war auch was anderes. Schreie oder Rufe. Vielleicht ein Wimmern, ich weiß nicht…«
    »Aber nicht hier im Zimmer?«
    »Nein, das nicht. Es ist unten gewesen. Hinter der Haustür, im großen Raum.«
    »Und was noch?«
    »Sonst nichts.«
    »Da bin ich ja beruhigt«, sagte er. »Aber ich werde dir jetzt einen Gefallen tun.« Karl sagte nicht, welchen, seine Frau hörte nur an den Bewegungen des Bettes, daß er im Begriff war, sich zu erheben, und er stand tatsächlich auf. Sie hörte, wie seine nackten Füße mit einem klatschenden Geräusch den Boden berührten. Es war wie jeden Morgen. Ihr Mann würde nach rechts rücken, wo die Kommode stand. Auf ihr hatte immer der Teller mit der Kerze seinen Platz. Feuerzeug und Zündhölzer lagen daneben. Auch im Dunkeln konnte er sie mit einem routinierten und sicheren Griff erwischen.
    Sie lauschte dem ratschenden Geräusch des Zündholzes, als es über die Reibfläche glitt. Dann flackerte die Flamme auf, bekam einen Moment später Nahrung und holte so etwas wie ein Schattenbild aus der Dunkelheit hervor, in dem Karl Huber die Hauptrolle spielte. Er stand auf. Dabei warf er einen Schatten, der wiederum über die Wand hinwegglitt und

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