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0987 - Das Seelenloch

0987 - Das Seelenloch

Titel: 0987 - Das Seelenloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Der Mörder mußte sie hinterlassen haben. Nein, nicht der Mörder, Fritz Huber war schon tot gewesen, sondern der Leichenschänder. Etwas Unheiligeres konnte es kaum geben.
    Ich stehe im Blut! dachte sie. Mein Gott, ich stehe im Blut meines toten Schwiegervaters! Sie hätte darüber wahnsinnig werden müssen, aber sie wurde es nicht. Diese Frau war plötzlich unheimlich stark und über sich selbst hinausgewachsen. Sie brüllte nicht, sie fiel auch nicht in Ohnmacht, sie stand einfach nur da. Wie jemand, der ein besonderes Gottvertrauen hat, und das deutete Gertrud Huber auch durch die wie zum Gebet gefalteten Hände an.
    In diesen Momenten war sie unheimlich stark. Nur das Zeitgefühl spielte bei ihr nicht mehr mit. Ihr kam es vor, als hätte sie Stunden in diesem Raum und unterhalb des Seelenlochs verbracht.
    Dann hörte sie hinter sich einen dumpfen Laut. Gertrud Huber schreckte zusammen. Das Geräusch hatte sie aus ihrer Lethargie hervorgerissen, und sie drehte sich um.
    Diesmal erfuhr sie den Schreck als einen bösen Stich. Karl, ihr Mann, stand nicht mehr auf den Beinen. Er war zusammengebrochen, hockte nun am Boden und stützte sich neben der Tür an der Wand ab. In seinen Augen lag ein Blick, den Gertrud nicht kannte. Es war der Ausdruck des Wahnsinns. Wahrscheinlich würde Karls Psyche gleich umkippen. Und Gertrud Huber fiel auf, daß der Horror noch nicht vorbei war.
    Nachgedacht hatte sie nicht. Dazu war sie einfach nicht in der Lage gewesen. Sie hatte die Situation hingenommen, doch jetzt wurde ihr bewußt, daß sie etwas unternehmen mußte, sonst drehte sie auch noch durch. Sie ging auf ihren Mann zu, der es nicht bemerkte, auch nicht, daß sie dicht vor ihm stehenblieb.
    »Karl, du mußt aufstehen - komm!« Sie faßte ihn an der Schulter und rüttelte ihn.
    Huber reagierte kaum.
    »Bitte!« drängte sie.
    Karl bewegte nur seinen Mund. »Hast du…?« flüsterte er. »Hast du meinen Vater gesehen?«
    »Ja, das habe ich.«
    »Er ist tot, aber man hat trotzdem noch auf ihn eingestochen.«
    »Ich weiß es.«
    »Wer?« keuchte Karl. »Wer hat es getan? Wer hat das gemacht?«
    »Ich weiß es nicht. Das ist auch nicht unsere Sache. Wir müssen es der Polizei melden und auch dem Pfarrer und dem Bürgermeister. Aber du kannst hier nicht bleiben.«
    Gertrud hatte es ihm erklärt, aber Karl sah so aus wie jemand, der nichts begriff. Er starrte ins Leere.
    Die geschändete Leiche auf dem Bett schien er nicht zu sehen.
    Seine Frau wollte keine Sekunde länger an diesem makabren Ort bleiben. Wenn Karl es nicht schaffte, von allein auf die Füße zu kommen, dann mußte sie nachhelfen. Deshalb streckte sie den Arm aus und zerrte ihn auf die Füße.
    Karl fiel ihr entgegen. Er hatte Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht, Gertrud mußte ihn stützen.
    Sie hörte seinen schweren Atem, und auch sein Stöhnen nahm sie wahr. Dann fing er an zu weinen und stützte sich auf sie.
    Es war schon schlimm. So hatte Karl nicht mal beim Tod seines Vaters reagiert. Dieses Weinen zeugte auch von einer inneren Verzweiflung, die ihn umklammert hielt. Es hörte sich schaurig an, war nicht laut, nicht wie das eines Kindes, aber es ging Gertrud durch und durch.
    Sie dachte schon wieder normal. Ihr kam in den Sinn, daß sie sich noch anziehen mußten, wenn sie in den Ort fahren wollten. Zum Glück hatten sie die Räder mit hochgenommen.
    »Komm jetzt, Karl. Du kannst nichts mehr ändern.«
    Der schwere Mann nickte und ließ sich mitziehen. Dann setzte er seine Beine automatisch, machte einen Schritt nach dem anderen. Er ging wie eine Puppe mit sehr kleinen Schritten.
    Das Ehepaar befand sich bereits in ihrem Wohnraum, als das Grauen erneut zuschlug.
    Hinter sich hörten sie das Heulen. Nein, kein Heulen. Da schrie jemand.
    Beide drehten sich um.
    Auf einmal konnte sich auch Karl Huber wieder bewegen. Er entglitt dem Griff seiner Frau und stand jetzt so, daß er wieder über die Schwelle hinweg in die Totenkammer schauen konnte.
    Der Tote hatte nicht geschrieen und sich auch nicht bewegt. Aber die Schreie waren trotzdem da.
    Sie blieben es auch und hatten sich nur verändert, denn plötzlich drang ihnen das Heulen entgegen.
    Sie sprachen nicht, aber sie wußten beide Bescheid und schauten auf.
    Die Schreie waren nicht aus dem Mund des Toten gedrungen. Sie drangen als unheimliche und klagende Botschaft aus der offenen Luke in der Wand, als würde eine Seele fürchterliche Qualen erleiden…
    ***
    Gertrud und Karl Huber taten nichts. Sie

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