0997 - Blut für den Götzen
Götze? Verendete die Göttin?
Noch wußten wir es nicht, ich aber drehte weiter und hielt meinen Blick starr auf die Wand gerichtet. Ich wollte endlich einen Erfolg sehen, und ich machte weiter, denn ich dachte an Mona und die anderen Opfer, die sich diese Gestalt bereits geholt hatte.
Jeder von uns hörte die Schreie.
Sie stammten nicht aus dieser Welt. Eve hatte sie ausgestoßen. Sie sah, wie die Göttin litt, die einen Arm angehoben und gegen das malträtierte Auge gepreßt hatte. Aber durch die dicken Finger rann noch immer die Flüssigkeit, die allerdings ihre helle Farbe allmählich verlor.
Sie wurde rötlich.
So wie Blut…
Ja, die Figur verlor Blut, das vielleicht einmal einem Menschen gehört hatte. Noch immer stand der schwere Koloß auf derselben Stelle, er traf auch keinerlei Anstalten, sich zu bewegen, und ich konnte nicht mehr weiterdrehen, denn die Spitze war bereits an der anderen Seite des Figurenkopfes hervorgetreten.
In die andere Richtung drehte ich das Gewinde, um den Korkenzieher wieder hervorzuholen.
Eve schüttelte den Kopf. Sie litt ebenso wie ihr Stellvertreter Zlatko.
Ich hielt das Messer fest und visierte bereits das nächste Auge an. Oder sollte ich mir den Körper vornehmen?
War vielleicht gar nicht schlecht.
Ich setzte die Spitze in der Mitte an, zwischen Bauch und Brust. Meine Lippen lagen zusammen. Ich lächelte dabei kalt und behielt auch Amorana im Blick.
»Sie wird nicht sterben!« brüllte Eve mit einer Stimme, die sich fast überschlug. »Wir werden siegen!«
Und damit öffnete sich das Tor zwischen den Welten.
***
Diesmal brach die Wand ein. Das heißt, es sah so aus, als wollte sie uns entgegen - und Zlatko in den Rücken kippen.
Aber wir hörten kein Geräusch, obwohl das Mauerwerk zerrissen wurde und ein Loch entstand.
Dort zeigte sich ein Fuß.
Er rammte plötzlich vor. Zlatko bekam den Tritt in den Rücken und wurde von seinem Stuhl regelrecht nach vorn in die Mitte des Raumes hineinkatapultiert. Dort fiel er auf den Bauch und blieb stöhnend liegen, während sich die Figur weiter nach vorn bewegte.
Ob sie die Wand, die Decke und vielleicht das Haus einstürzen lassen würde, war in diesem Augenblick nicht relevant. Sie mußte gestoppt werden, und ich wühlte den Flaschenöffner in die Figur hinein. Sie drehte sich schnell tiefer, weil ich für den nötigen Druck gesorgt hatte, und es war zum Glück so geschehen, denn der Vorwärtsdrang der Göttin wurde gestoppt.
Das Bein zuckte.
Der Körper geriet ebenfalls in Zuckungen. Die Gestalt mußte unter den Verletzungen leiden, was mir egal war. Ich wußte jetzt, wie ich sie vernichten konnte. Sie stand an der Grenze zwischen den Zeiten. Sie war dort eingeklemmt. Sie hatte der Figur ihre Seele hinterlassen, sie war zu einem Abbild geworden, denn sie erlebte all das, was das Original durchlitt.
Der Korkenzieher war nicht mehr wichtig. Jetzt interessierte mich das Messer.
Ich hatte die Figur auf den Schreibtisch gelegt. Ein Auge war noch vorhanden. Es kam mir vor, als wollte es mir zublinzeln. Einen Moment dachte ich daran, daß ich so etwas noch nie erlebt hatte.
Eine grauenhafte, urweltliche Gestalt mit einem Taschenmesser töten.
Ich hatte die Klinge hervorgeholt.
Quer schnitt ich in den Körper und merkte sofort, daß mir die Figur kaum Widerstand entgegensetzte. Das Messer drang tief ein. Dabei drehte ich den Kopf und blickte auf die Wand.
Dort tat sich etwas.
Die Göttin zuckte. Genau dort, wo das Messer tief in die weiche Figur hineingeschnitten war, blutete die Göttin aus. Es war das Blut ihrer Opfer, das sie jetzt verlor. Sie hatte daraus die Kraft hervorholen wollen, das war nun vorbei.
Es floß aus der Wunde hervor und rann in einem ebenso breiten Strom an dem mächtigen Körper nach unten, der in der zweiten Hälfte noch vorhanden war.
Ich machte weiter. Niemand störte mich. Alles war gespannt. Jeder wußte, daß es einzig und allein auf mich ankam. Das Messer hatte ich wieder aus dem weichen Körper hervorgezerrt, dann setzte ich es an einer anderen Stelle wieder an.
Der Schnitt in die rechte Hälfte. Diesmal noch tiefer. Ich arbeitete verbissen, denn mein Ziel war, die Figur in zwei Hälften zu teilen.
Es war nicht einfach. Die Masse setzte mir als Widerstand eine gewisse Zähigkeit entgegen, und so mußte ich noch mehr Kraft einsetzen, um zum Ziel zu gelangen.
Ich schaffte es.
Die Figur lag plötzlich in zwei Hälften vor mir. Erst dann drehte ich den Kopf und kümmerte mich um
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