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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Hütten nieder. Lasst die Frauen und Kinder gehen.«
    Dann zog er Khayi eigenhändig aus seiner Hütte. Der Häuptling, der kein schwacher Mann war, hing wie eine nasse Katze in seinen Händen.

    Trotzdem hatte er den Mut, den Weißen stoisch anzugrinsen. Johann sah es und explodierte. Er warf Khayi zu Boden, drehte ihn auf den Bauch und schwang seinen Sjambok. Es klatschte, und ein roter Streifen erschien auf dem Rücken des Zulu.
    »Nicht!«, brüllte Dan. »Nicht, Johann. Hör auf, Mann!«
    »Mach kurzen Prozess, wie es sich für einen Viehdieb gehört«, röhrte Pieter.
    Johann ließ die Peitsche sinken und starrte auf den Häuptling hinunter, seine Hand war noch immer um den Griff des Sjam- boks gekrampft. Es passierte häufig genug, dass die Zulus Farmen überfielen, die jenseits der Grenze in Natal lagen, und die Buren sahen es als ihr Recht an, Viehdiebe auf der Stelle zu töten. Da sie die britischen Kolonialherren noch mehr hassten als die Schwarzen, kümmerten sie sich keinen Deut darum, ob das in den Augen der Herren vom Kap zu Recht geschah oder nicht. Einem Untertan seiner britischen Majestät aber blühte ein harsches Gerichtsverfahren, sollte er dieses Delikts überführt werden. Zwar war das vollkommen unwahrscheinlich, weil die dazu benötigten Zeugen fast immer fehlten, aber das Gesetz lautete immerhin so. Einem Zulu, der britisch-koloniale Kühe stahl, passierte nichts. Er unterlag dem Gesetz, das der Zulukönig proklamierte.
    Johann nahm den Fuß von Khayis Beinen, mit dem er ihn auf dem Boden festgehalten hatte. Er selbst lebte in Zululand, war aber weder Untertan von König Mpande noch von Königin Viktoria, obwohl er in gewissem Maße den Gesetzen der britischen Kolonialherren zu gehorchen hatte. Seine Position war eine aus-581
    gesprochen unsichere. Mpande brauchte nur mit dem Finger zu schnippen, und er wäre Inqaba los. Über die Wankelmütigkeit des Zulukönigs machte er sich keine Il usion. Bebend vor unterdrückter Wut schleuderte er den Sjambok beiseite, fesselte Häuptling Khayi mit geflochtenen Grasstricken, die er sich aus einer der Hütten besorgte, und warf ihn quer über seinen Sattel. Dann wandte er sich den anderen männlichen Mitgliedern von Khayis Familie zu.
    »Ihr, die ihr nichts weiter seid als Läuse auf dem Rücken räudiger Hunde«, begann er, die Arme in die Seiten gestemmt. »Ihr habt die freie Wahl. Entweder ihr kommt mit mir zu eurem König und steht für eure Tat gerade, oder ihr arbeitet für einen Monat kostenlos auf meinen Feldern.« Er fixierte die eingeschüchterten Männer mit scharfen Blicken.
    Die Entscheidung wurde schnell und einstimmig getroffen. Khayis Verwandte begaben sich in Begleitung von Pieter und seinen eigenen Männern auf den Weg nach Inqaba. Johann schwang sich hinter dem menschlichen Paket in den Sattel und nahm die Zügel auf.
    »Kommst du mit?«, fragte er Dan. Als dieser nickte, trieb er Shakespeare neben Pieters Pferd. »Bitte sag Catherine Bescheid. In wenigen Tagen bin ich wieder zu Hause. Aber ich muss die ser Sache endlich ein Ende setzen, sonst herrscht nie Ruhe auf Inqaba.« Er grüßte mit zwei Fingern und wendete.
    »Zum Hof des Königs«, rief er dem Schlangenfänger zu. »She- shisa!«
    Dan nickte und lenkte seine Stute zurück auf den Pfad und dann in den lichten Busch. Schnell, hatte Johann gesagt. Er hielt seinen Arm vors Gesicht, um nicht von zurückschlagenden Zweigen verletzt zu werden.

    *
Johann stand am Abhang über dem Fluss. Der Pegel war hoch und die flache Uferzone überflutet, doch er wusste, dass sich eine viertel Meile flussaufwärts eine Furt befand. Khayi, den er 582
    zusammengeschnürt hatte wie einen Rollbraten, protestierte mit einer Reihe von saftigen Flüchen.
    »Thula!«, befahl er kurz und unterstrich seinen Befehl mit einem Handkantenschlag gegen die Halsschlagader des Schwarzen. Khayi verstummte, sein Kopf sank herunter. Am Fluss saß Johann ab und führte Shakespeare mit seiner menschlichen Last vorsichtig durch das träge dahinfließende Wasser, das ihm bis zur Brust reichte.
    Dan folgte ihm in einiger Entfernung und behielt dabei die zahlreichen Krokodile am schmalen Uferrand aufs Genaueste im Auge. Seine Flinte war geladen, und sein Finger lag am Abzug. Den alten Flusspferdbullen, dem eine schwärende Wunde im Nacken das Leben zur Hölle machte, konnte er von dort aus allerdings nicht sehen. Der massige Bulle lag in der Flussmitte, nur die Augenhöcker und die spielenden Ohren verrieten ihn.
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