1 - Schatten im Wasser
richtete er sie auf den Reiter, der auf ihn zukam. Lautlos tauchte er weg und lief mit erstaunlicher Schnelligkeit über das sandige Flussbett. In einem Schwall gelben Wassers kam er unmittelbar vor Shakespeares Kopf wieder hoch. Sein aufgerissenes Maul war groß genug, dass der Pferdekopf hineingepasst hätte.
Der Wallach wieherte voller Entsetzen und stieg hoch. Der Gefangene glitt von seinem Rücken und fiel in den Fluss. Johann führ herum, griff nach ihm, Shakespeare riss sich los und gelangte mit heftig schlagenden Vorderläufen ans Ufer. Den hörbar zuschnappenden Kiefern der großen Krokodile entkam er nur durch ein Wunder. Angstvoll wiehernd erklomm er die Böschung und blieb mit bebenden Flanken oben stehen.
Dan schoss im selben Moment, als Johann, nicht eine Sekunde an seine eigene Sicherheit denkend, mit einem Hechtsprung hinter dem sich verzweifelt gegen das Ertrinken wehrenden Khayi hersetzte. Er erwischte ihn an den Fesseln und schleifte ihn hinter sich her ans Ufer. Der Flusspferdbulle verschwand in einem Strudel von Blut und Schaum, und mit leisem Klatschen glitt eine der Großechsen nach der anderen in den Fluss und schwamm dem Blutgeruch nach.
583
Johann starrte auf den Wasser spuckenden Zulu zu seinen Füßen und fragte sich, warum er der Natur nicht ihren Lauf gelassen hatte.
»Weil du nicht anders konntest«, beantwortete Dan seine schweigende Frage. Er war ebenfalls unbehelligt über die Uferböschung gekommen. Al e Krokodile waren beim Schlachtfest in der Flussmitte. »Und das ist der Grund, warum du mein Freund bist.«
Johann grunzte verlegen, als er die Fesseln Khayis zerschnitt. Der Schwarze blieb liegen, er nahm wohl an, dass der Umlungu hier und jetzt kurzen Prozess mit ihm machen würde. Stoisch erwartete er sein Schicksal.
»Steh auf«, befahl Johann. »Und nun hör mir sehr aufmerksam zu. Auf dich warten die Isimpisi des Königs, seine Hyänenmänner. Ich gebe dir so lange, wie es dauert, einen Ukhamba zu leeren, um zu entkommen.
Danach fange ich dich wieder ein und bringe dich zu deinem König, und der wird tun, was er muss, denn er duldet niemanden in seinem Reich, der seine Ruhe stört. Jetzt also steh auf und renne. Ich rate dir, mein Freund, schneller zu sein als eine Impala, ja schneller als der Wind, und nicht anzuhalten, bis du den Tugela überquert hast. In Natal bist du sicher vor den Schergen des Königs, und ich bin sicher vor dir.«
Er trat drei Schritte von Khayi zurück. »Suka!«
Häuptling Khayi rappelte sich blitzschnell hoch und rannte.
»Wie lange brauchst du, um einen Ukhamba zu leeren?«, wollte Dan wissen, als er der rasch entschwindenden schwarzen Gestalt nachsah.
Johann grinste. »Als trinkerprobter Bayer kann ich das große Biergefäß der Zulus in ein paar Minuten leeren. Ein Zulu selbst braucht etwas länger.«
Einen Tag später erreichte er König Mpandes Residenz. Er brachte sein Anliegen einem der zahlreichen Wächter vor, führte Shakespeare in den Schatten, setzte sich mit Dan auf einen
großen Stein und richtete sich auf eine lange Wartezeit ein.
*
584
»Mpande ließ uns nur einen Tag warten«, berichtete Dan, als er beim Abendessen auf der Veranda der Steinachs Platz nahm. Vorsorglich hatte Catherine ihn so gesetzt, dass sein üppiger Körpergeruch ihr nicht das Essen verderben konnte. Der Wind blies von ihr weg. »Sipho, sein Lieblingssohn, den Johann weiland vor dem Leoparden gerettet hatte, kam, um uns zu ihm zu geleiten.«
»Ihr müsst die Waffen niederlegen«, verlangte der junge Zulu.
Johann dachte an das Schicksal Piet Retiefs und zögerte eine Sekunde; er warf dem Schlangenfänger einen schnellen Blick zu.
Sipho lächelte fein. »Euch wird in dem königlichen Umuzi nichts geschehen«, sagte er, als hätte er Johanns Gedanken gelesen, und die Weißen gehorchten.
Sie folgten ihm durch den langen, von Palisaden gesäumten Eingang, der sich in das riesige Rund von Mpandes Residenz öffnete. Hunderte von Hütten umringten den riesigen Paradeplatz, die von Tausenden von Kriegern bewohnt waren. In dem kreisförmigen, von hohen Holzpfählen umzäunten Viehgatter in der Mitte befand sich die königliche Rinderherde.
Der Krach und der Gestank waren unbeschreiblich, Wolken von Staub wirbelten durchs Sonnenlicht. Johann und Dan ertrugen stoisch die Fliegenschwärme, die sich auf sie stürzten, wagten nicht, sie wegzuwedeln, denn sie befürchteten, dabei einen unwürdigen Anblick zu bieten. Dann standen sie vor dem König, und selbst
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